Der 44 Meter hohe, imposante Spittelturm steht am südöstlichen Rand der pittoresken Altstadt von Bremgarten. Der Name «Spittelturm» leitet sich vom Mundart-Wort «Spittel» für Spital ab. Das einstiege Spital, das sich südlich an den Turm anschloss, musste Mitte des 19. Jahrhunderts allerdings einer breiteren Durchfahrtsstrasse weichen. Heute erinnert nur noch der Name des Turms an das einstige Krankenhaus.
Der Turm selbst wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts erbaut. Das Erdgeschoss bildet ein Torgewölbe, das ehemals einen der Zugänge zur Oberstadt markierte. Daher wird der Spittelturm auch «Obertorturm» genannt. Wie andere Stadttürme der frühen Neuzeit erfüllte der Spittelturm mehrere Funktionen. Die Schiessscharten in den stadtabgewandten Turmseiten zeigen die Bedeutung, die dem Turm als militärisches Bauwerk zukam.
Im Innern des Spittelturms
Im Torgewölbe wurden Abgaben erhoben und unliebsame Personen abgewiesen. Nicht zuletzt waren Stadttürme aber repräsentative Bauwerke, die Einheimischen und Fremden Bedeutung und Macht des Ortes vergegenwärtigen sollten.
Uhrzeit, Sternzeichen und Mondphase in Einem
Besonders bemerkenswert ist die astronomische Uhr auf der stadtzugewandten Seite des Spittelturms. Die goldenen Zeiger weisen auf dem Zifferblatt nicht nur die Uhrzeit, sondern ebenfalls den Wochentag und das aktuelle Sternzeichen. Oberhalb des Zifferblatts in einem Turmerker ist zudem eine gold-schwarze Kugel eingelassen, die sich dreht und so die Mondphase anzeigt.
Der Spittelturm wurde über die Jahrhunderte mehrfach renoviert. Die letzte umfassende Restaurierung fand im Jahr 2001 statt. Hierbei wurde das Verlies wiederentdeckt, das sich oberhalb des Tor-Gewölbes befindet. Der Kerker war stets nur durch ein Loch im Boden des darüberliegenden Raumes zugänglich. Dieses Loch war jedoch verschlossen worden, nachdem der Turm nicht mehr als Gefängnis genutzt wurde.
Wiederentdeckter Kerker
Über die Jahrzehnte geriet das Verlies in Vergessenheit. Nur ein winziges Fensterchen in der Turmmauer deutete noch auf die Existenz dieses Raumes hin. Das Turmgefängnis wurde bis ins frühe 19. Jahrhundert benutzt. Weil das Verlies danach verschlossen war, fand die Kantonsarchäologie den Raum bei seiner Öffnung quasi im Originalzustand vor.
Von besonderer kulturgeschichtlicher Bedeutung sind die Zeichnungen, Kritzeleien und Inschriften, die von den Insassen über die Jahrhunderte an den Wänden des Kerkers hinterlassen wurden. Die Wände zieren Familienwappen, persönliche Monogramme, religiöse Symbole und auch schlichte Jahreszahlen. Zudem finden sich Zeichnungen von am Galgen hängenden Menschen, einer Armbrust, sowie von Fischen und anderen Tieren.
Deutliche Verschleissspuren zeigt auch die Wand unterhalb des in 2,5 Meter Höhe liegenden Fensterchens. Häftlinge sind offensichtlich häufig hochgeklettert, um einen Blick durch die Eisenstäbe zu erhaschen. Die kleine Öffnung stellte die einzige Lichtquelle des Kerkers dar.
Für leichtere Delikte wurde in Bremgarten oft Turmhaft bei Wasser und Brot verhängt. Quellen aus dem 17. Jahrhundert belegen diese Art der Strafe für Vergehen wie Ehebruch, leichten Diebstahl oder Schlägereien.