Mit einem Sprung ins kalte Wasser beginnt 1966 André Ochsners medizinische Karriere. Während dem Vorsemester zu seinem Medizinstudium reist er nach Israel. Dort arbeitet seine Jugendliebe Rita als Laborantin im Missionsspital Nazareth.
Zum Röntgenassistenten «befördert»
Er solle in der Röntgenabteilung aushelfen, hiess es. «Als ich am Montag eintraf, fehlte der Röntgenassistent, also musste ich spontan einspringen», erzählt er. «Bei jedem Patienten musste ich zuerst im Röntgenatlas nachschlagen, was zu tun ist.»
Die Probleme mit der Verständigung machte die Sache nicht gerade einfacher. «Einzig die Putzfrau konnte etwas Englisch und musste die Gespräche zwischen mir und den Patienten übersetzen.»
Trotzdem: die Bilanz nach zwei Wochen improvisierter Röntgenassistenz liess sich sehen. Nur eine einzige Aufnahme war unbrauchbar. «Ein kleiner Bub war in einen Jeep gelaufen und hatte eine offene Fraktur. Statt seines Beins habe ich das Rohr vom Bettgestell geröntgt.»
Ehe und Familie
Nach dieser anstrengenden Zeit mit Angstträumen geniesst André Ochsner zwei abenteuerliche Urlaubstage mit seiner Rita. Danach kehrt er zurück in die Schweiz und widmet sich wieder seinem Medizinstudium.
Zwei Jahre später heiraten André und Rita, die nun als Laborantin im Spital Uster arbeitet. 1969 und 1971 kommen die beiden Töchter Karin und Maja auf die Welt. Ein Jahr später schliesst André Ochsner sein Medizinstudium erfolgreich ab.
Unterwegs zu abgelegenen Höfen
Mit Praxisvertretungen sammelt der junge Mann erste Erfahrungen als Arzt. Was er darüber erzählt, ist ein eindrücklicher Zeitspiegel.
«Einen Monat lang arbeitete ich in Küblis im Prättigau. 30 Kontrollen am Vormittag, Hausbesuche am Nachmittag.» In einem Bauernhaus in Pany war jeden Donnerstag Sprechstunde angesagt. «Die Küche wurde zum Wartsaal umfunktioniert, die Stube diente als Behandlungszimmer.»
Die zweite Praxisvertretung führt André Ochsner nach Urnäsch. Als grosser Mann holte er sich in den kleinen Appenzeller Häusern so manche Beule am Kopf. «Und wenn ich in der Nacht zu einem Patienten gerufen wurde, mussten die Leute mit Lampen am Strassenrand auf mich warten. Sonst hätte ich den Hof nie gefunden.»
Die Küche war der Wartsaal, die Stube das Behandlungszimmer.
Einmal habe er einen Anruf von der Hundwiler Höhe erhalten, weil ein 90-jähriger Mann kaum noch atmen konnte. Unterwegs bleibt sein VW im Schnee stecken. «Dann bin ich zu Fuss weitergegangen – und knietief im Schnee eingesunken», erinnert sich André Ochsner.
Wenn Patienten mit Vasen um sich werfen
Mit solch widrigen Umständen hatte der Zürcher Arzt im alten Spital Wetzikon zum Glück nicht mehr zu kämpfen. Dort arbeite er in den Abteilungen Chirurgie und Geburtshilfe. Es folgte ein Anstellung in Uster bei Dr. Frehner, dem damaligen «Diabetes-Papst».
Ein anderes Mal arbeitete André Ochsner auch in einer Psychiatrie. «Auf der geschlossenen Abteilung führte man die Gespräche mit den Klienten im Raum immer von der Tür aus», erklärt er. Aus Sicherheitsgründen, sollten diese «ausflippen». «Einmal hat ein Gerichtspräsident eine Vase nach mir geworfen.»
Lebensgeschichten auf SRF Musikwelle
In der «Sinerzyt»-Serie «Lebensgeschichten» von SRF Musikwelle blicken Seniorinnen und Senioren zurück in die Vergangenheit. Sie erzählen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – von wichtigen Episoden aus ihrem Leben. Manchmal werden diese nur kurz gestreift, ein anderes Mal detailliert geschildert.