Die Polizisten mussten so manches Mal ein Auge zudrücken, als Margrit und ihre Gspändli in vollem Karacho vom Lindenplatz hinunter zur Uraniastrasse bretterten. Heute kann man sich kaum vorstellen, dass sich hier mitten in der Stadt Zürich Kinder auf ihren Schlitten vergnügten.
Margrit Stalder wuchs an der Kuttelgasse – einer Seitenstrasse der mondänden Bahnhofstrasse – auf, dort wo heute Touristenströme edle Boutiquen und Uhrengeschäfte aufsuchen. Auch sonst war natürlich vieles ganz anders im Zürich der 1920er-Jahre – die kleine «grosse Stadt» hatte damals aus heutiger Sicht eher Dorfcharakter – und dennoch war es auf dem Land noch eine Spur anders.
Ohne Zöpfe passt man nicht ins Dorf
Das musste Margrit erfahren, als sie und ihre Familie nach Uster zogen. Nur schon optisch tanzte sie aus der Reihe. Während die Mädchen auf dem Lande Zöpfe trugen, hatte sie selber einen kecken Kurzhaarschnitt wie die Knaben. Freilich sorgte sie damit für ordentlichen Wirbel und musste entsprechende Hänseleien einstecken.
Einige Dorfkinder wagten es sogar, sie an den Haaren zu ziehen. Aber Margrit liess sich das nicht lange gefallen und heckte einen cleveren Plan aus: sie begleitete fortan ihren Lehrer jeden Tag nach Hause und war somit vor Übergriffen ihrer Mitschüler sicher.
Das Musik-Gen in der Familie
Margrits Vater hatte eine Musikschule und brachte ihr schon früh bei Handorgel zu spielen. Schon bald hatte sie bald ihre ersten Auftritte. Auch ihr mittlerweile verstorbener Bruder hatte das musikalische Gen des Vaters geerbt. Er wurde später sogar Klarinettist des Tonhalle-Orchesters. Mit ihm und einem zusätzlichen Pianisten verdiente sich Margrit während ihrer Jugendjahre bei so mancher Hochzeitsfeier einen Batzen als Musikerin dazu.
Karriere bei der Volksbank
Nach Abschluss ihrer ordentlichen Schulzeit hätte Margrit Stalder, wie so viele Mädchen ihres Jahrgangs, Hausfrau und Mutter oder etwas in der Richtung werden sollen. Über eine gute Beziehung schaffte sie es dann aber in der Volksbank Fuss zu fassen. Anfangs arbeitete sie am Schalter. Später war es ihre Aufgabe, ihre Mitarbeiter zu beaufsichtigen. Bis zu ihrer Pensionierung blieb sie der Volksbank treu. Mittlerweile ist Margrit Stalder bald 95 Jahre alt und verbringt ihren Lebensabend im Altersheim Im Grund in Uster.
Lebensgeschichten auf SRF Musikwelle
In der «Sinerzyt»-Serie «Lebensgeschichten» von SRF Musikwelle blicken Seniorinnen und Senioren zurück in die Vergangenheit. Sie erzählen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – von wichtigen Episoden aus ihrem Leben. Manchmal werden diese nur kurz gestreift, ein anderes Mal detailliert geschildert.