Aus dem Fotoalbum von Edith Burlet
Edith Burlet wächst als Einzelkind in der Stadt Glarus auf. Ihre Eltern sieht sie nur abends und an den Wochenenden, da beide berufstätig sind. Ihr Vater arbeitet als Drechsler in einer Möbelfirma, ihre Mutter als Weberin in einer Teppichfabrik. Wenn die Eltern arbeiten gehen, kümmern sich die Hausbesitzer, die im gleichen Haus wohnen, um das Kind.
Bei ihnen verbringt Edith Burlet mehr Zeit als im eigenen Zuhause. Die heute 85-Jährige blickt aber überhaupt nicht wehmütig auf diese Zeit zurück. «Die Hausbesitzer hatten eine Strumpf- und Wäscheladen, da durfte ich manchmal aushelfen. Ab und zu spielte ich auch Detektiv, um Strumpfdiebe auf frischer Tat zu ertappen.»
Freizeitspiele in den 1940er-Jahren
Wenn Edith Burlet nicht im Laden aushilft, trifft sie sich mit Nachbarskindern zum Spielen. «Während dem Krieg fuhren kaum Autos, deshalb war die Strasse unser Spielplatz», erzählt die 85-Jährige. «Wir liessen Murmeln über die Strasse kullern, spielten mit Reifen, ‹Tripstrülleret› oder auch Völkerball.» Niemand habe sie beim Spiel gestört, da kaum Leute unterwegs gewesen seien.
Kinderschwester in privaten Haushalten
Beruflich ist Edith Burlet lange unschlüssig und macht dies und das. Dann erkrankt ihre Mutter an einer Lungenentzündung. Edith Burlet übernimmt die Pflege und findet dabei zu ihrem Berufswunsch: Sie möchte Säuglingspflegerin werden.
Ihre erste Anstellung führt sie für ein Jahr nach Bern zu Geschäftsleuten, wo sie sich um den Nachwuchs kümmert, während die Frau wieder arbeiten geht. Danach verschlägt es Edith Burlet, die sich mit der französischen Sprache nie anfreunden konnte, ausgerechnet nach Paris.
«Ich musste nur selten französisch sprechen, denn der Monsieur wollte, dass ich mit seinen Kindern deutsch rede.» Ausserdem habe sie vor allem Kontakt mit anderen Deutschschweizer Pflegeschwestern gehabt. Dafür lernt Edith Burlet viel von Frankreich kennen, da die wohlhabende Familie zusammen mit ihren Angestellten oft auf Reisen ist.
Was die junge Schweizerin an Frankreich besonders schätzt, ist die Wertschätzung ihrer Arbeit. «In der Schweiz war ich als Säuglingspflegerin ein etwas besseres Dienstmädchen, in Frankreich wurde ich als Kinderschwester voll und ganz akzeptiert.»
Kinderlos, aber Kinder liebend
Edith Burlet kümmert sich um Kinder fremder Menschen. Selber bleibt sie kinderlos, aus eigenem Entschluss zwar, aber trotzdem nicht unbedingt freiwillig.
Sie ist erst 25 Jahre alt, als ein Arzt den Verdacht äussert, sie könnte an Multipler Sklerlose leiden und ihr rät, auf eigene Kinder zu verzichten.
So entscheidet sich Edith Burlet als junge Frau gegen die Gründung einer eigenen Familie. Dafür schenkt sie ihre Liebe und Aufmerksamkeit Kindern, die ohne eigene Mutter aufwachsen müssen, sowie alleinstehenden Pflegebedürftigen. Die vielen guten Spuren, die sie dabei in mancher Leben hinterlässt, sind kaum abzuschätzen.
Heute ist Edith Burlet 85 Jahre alt und lebt in einem Alterszentrum in Baar, wo Bilder aus alten Tagen sie an ein hingebungsvolles Leben erinnern.