In der Nähe von São Paulo liegt ein kleines Stück Schweiz: die Colônia Helvetia. Gegründet 1888 von ausgewanderten Familien aus dem Kanton Obwalden, leben hier bis heute ihre Nachkommen – viele in dritter oder vierter Generation.
Einer, der diese Tradition besonders lebt, ist Arnold «Noldi» Heuberger. Der 74-jährige Obwaldner ist Präsident und Dirigent des Jodlerklub Helvetia – des einzigen Jodlerclubs in ganz Südamerika.
Wenn Brasilien jodelt
Zum Schweizer Nationalfeiertag organisieren Heuberger und sein Chor das grösste Fest des Jahres. 10'000 bis 12'000 Gäste strömen jeweils nach Helvetia. Alphornbläser, Fahnenschwinger, Trachtengruppen und Jodelgesang lassen Schweizer Herzen höherschlagen – mitten in Brasilien.
Dort zu singen, ist für mich jedes Mal etwas Besonderes.
Gesungen wird auf Obwaldnerdeutsch, auch wenn die meisten Mitglieder nur Portugiesisch sprechen. Jedes Jahr tritt der Chor auch im Schweizer Konsulat auf – ein Fixpunkt für Heuberger: «Dort zu singen, ist für mich jedes Mal etwas Besonderes.»
Von Sarnen nach Südamerika
Heuberger stammt aus einer musikalischen Familie. Als Achtjähriger sang er solo in der Christmette, später war er langjähriger Solist im Jugendchor. 1972 trat er dem Obwaldner Trachtenchörli bei und reiste mit dem Ensemble durch halb Europa, nach Japan, Südkorea, Argentinien, Paraguay und Brasilien. Vor seiner definitiven Auswanderung wurde er für 25 Jahre Chortreue zum Ehrenmitglied ernannt. Die silberne Ehrenkanne steht bis heute in seinem Musikzimmer.
Ein eigener Chor – und eigene Lieder
2001 gründete Heuberger den Jodlerklub Helvetia. Heute zählt er 36 aktive Mitglieder. Für sie komponierte er eigene Stücke wie «Mis niwä Chörli» oder «S’Härzli im Baim». Auch eine eigene Kapelle rief er ins Leben: die «Schnapsmuisig». Sie spielte eigens für den Club komponierte Werke – darunter die «Schnapsmuisigpolka».
Auch vier Tanzgruppen traten bei Konzerten auf. «Musik und Gesang gehören zu meinem Leben», sagt Heuberger, «sie sind meine Sprache, egal ob in der Schweiz oder hier in Brasilien.»
Nachwuchsförderung mit Herz
Um die Schweizer Volksmusik weiterzugeben, eröffnete Heuberger zusammen mit einer lokalen Musikerin eine Musikschule – für Kinder aus einfachen Verhältnissen, gratis. Instrumente kamen aus der Schweiz, finanziert wurde das Projekt durch den lokalen Dachverband São Nicolau de Flüe.
Viele unserer Schüler spielen heute noch die Instrumente, die sie damals bekommen haben.
Bis zu 50 Kinder lernten dort Akkordeon, Cello, Trompete, Klarinette oder Gitarre. Heute existiert die Schule nicht mehr – aber ihr Vermächtnis lebt weiter. «Viele unserer Schüler spielen heute noch die Instrumente, die sie damals bekommen haben», erzählt Heuberger.
Zwischen den Welten
Der Jodlerklub Helvetia tritt regelmässig bei Grossanlässen auf – von Jodlermessen bis zu Feiern im Konsulat, an Festivals oder im Altersheim. Eine Woche lang tourten sie mit Konzerten durch Gramado im Süden Brasiliens.
Zweimal reiste der Chor in die Schweiz: 2010 ans Eidgenössische Trachtenfest in Schwyz und 2014 ans Eidgenössische Jodlerfest in Davos. «Unsere Reisen schlagen Brücken – zur Heimat, aber auch zurück zu den Wurzeln der jüngeren Generation.»