Als ob sie aus einem Film der wilden 1920er-Jahre entsprungen wäre, tauchte Hilde Thalmann jeweils im Radiostudio Basel auf: Mit Boa, keckem Hut, Zigarettenhalter und extravaganten Kleidern, die sie zum Teil sogar selber schneiderte. Um sich fit zu halten, joggte sie gerne ein paar Runden ums Gebäude. Ein Paradiesvogel, dem man auf den ersten Blick gar nicht zutraute, dass in ihrem Büro akribische Ordnung herrscht.
Briefe ohne Ende
Bei hunderten von Briefen die Woche für Woche bei ihr eintrudelten, behielt Hilde Thalmann stets den Überblick. Die meisten dieser Musikwünsche wurden denn auch direkt an das nette Fräulein Thalmann gerichtet. Als Musikredaktorin genoss sie beim Publikum ein ebenso grosses Ansehen wie die Radio-Onkel und -Tanten, die das Wuko jeweils moderierten.
Nur die Adressierung der Briefe war bisweilen haarsträubend. So mancher wurde sogar irrtümlicherweise an die SRF-Generaldirektion in Bern gesandt. Ein Wunder, dass sie ihren Weg dennoch auf den Schreibtisch von Hilde Thalmann fanden.
Von Pörsi Sledsch bis Viehwaldi
Auch die Musikwünsche selber erforderten zum Teil detektivischen Spürsinn. So musste man schon zuerst draufkommen, dass mit «Mei spezial Preiser» von Pörsi Sledsch der amerikanische Superstar Percy Sledge mit seinem Hit «My special Prayer» gemeint war. Hinter «Isterwil gut fielen» verbarg sich der Hit «It’s a real good Feeling» und aus Vivaldi wurde irrtümlicherweise ein Viehwaldi.
Trotz solcher Schmunzler und teils unleserlicher Handschriften nahm Hilde Thalmann jeden Briefwunsch ernst. Sie hatte immer im Hinterkopf, dass sich da jemand extra die Mühe genommen hat, einen Brief ans Radio zu schreiben.
Leider kann ich nicht immer alle Wünsche erfüllen – das macht mir etwas Kummer.
Genauso ernst wie Musikwünsche und Komplimente nahm Thalmann auch Kritik entgegen. Bei Beschwerden wie: «Ihr spielt immer nur dasselbe», wurde sie allerdings energisch. So führte sie doch genau Buch darüber, wann welcher Titel gespielt wurde.
Klassik kommt immer am Schluss
Das Wunschkonzert war damals streng durchstrukturiert. Der Gedanke dahinter ist einleuchtend, wenn auch aus heutiger Sicht veraltet: Das ländliche Publikum zieht Volksmusik vor und muss früh aufstehen. Ergo wird zuerst Volkstümliches gespielt, woraufhin Schlager folgt. Diesen zieht das jüngere Publikum vor. Klassik hingegen folgt zum Schluss, da diese Sparte wiederum eher betagte Menschen interessiert, die morgens ausschlafen können.
Zu Hilde Thalmanns Radiozeit galt das Wunschkonzert am Montagabend als wahrer Publikumsmagnet. Sie gelangte 1968 dank ihren Erfahrungen als Plattenverkäuferin und fleissige Konzertbesucherin als Musikredaktorin zu Radio DRS. Ihr zur Seite standen die mittlerweile ebenfalls legendären Sprecher Heidi Abel und Roger Thiriet, die das Wuko jeweils im Wechsel moderierten.