Roland Begert blickt differenziert auf seine Heim- und Verdingkind-«Karriere». Ein offener Blick auf die gesellschaftspolitischen Zusammenhänge der damaligen Zeit sind ihm beim Blick auf seine Biografie wichtig. «Die gesellschaftliche Realität ist nicht schwarz-weiss», meint der 80-jährige bestimmt.
Ich will die Welt differenziert darstellen und auch das Positive aufzeigen.
Als Verdingkind darf Roland Begert nur die Primarschule besuchen. Dann wird ihm eine Lehre als Giesser aufgezwungen. Im Arbeitermilieu fliesst nach Feierabend viel Alkohohl. Der junge Mann wird zum Alkoholiker. Operation und Spitalaufenthalt wegen eines geplatzten Blinddarms wecken ihn auf.
Mit Wille und Fleiss zum Ziel
Roland Begert geht nach Grenchen in die Uhrenindustrie. Später zieht es ihn nach Bulle, wo er als Bäckergeselle arbeitet. Motiviert durch eine gute Freundin besucht er berufsbegleitend die Handelsschule. Er holt die Matur nach und studiert schliesslich an der Universität Bern Wirtschaft und Recht. Er, der Rechtlose, will wissen, wie es um seine Rechte steht.
Mut zur Vaterschaft
Privat musste der Vater einer heute erwachsenen Tochter lernen, was es heisst, selber Vater zu sein. «Lange zweifelte ich daran, ob ich dafür überhaupt die richtigen Voraussetzungen mitbringe.» Doch Schritt für Schritt wuchs er in diese Aufgabe hinein.
Den Draht zu seiner leiblichen Mutter habe er nie gefunden, sagt er heute rückblickend. Seinen Vater, einen stadtbekannten Clochard und Entfesslungskünstler, hat Roland Begert ein einziges Mal in seinem Leben gesehen: In einen schmutzigen Mantel gehüllt auf einer Parkbank liegend. Begert war damals elf Jahre alt.
«Die letzte Häutung»
Der pensionierte Gymnasiallehrer für Wirtschaft und Recht ist heute versöhnt mit seiner Vergangenheit. Vielleicht auch, weil er seine Lebensgeschichte in zwei Büchern niedergeschrieben hat. Sie heissen «Lange Jahre fremd» und «Die letzte Häutung». Das dritte Buch ist in Arbeit. «Das wird eine Art Familien-Saga, die drei Generationen einschliesst.»