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Harald Juhnke Mal barfuss, mal mit Lackschuh

Nein, ein einfacher Zeitgenosse war er nicht. Oder sagen wir es so, er machte es sich nicht immer einfach: Harald Juhnke – Sänger, Schauspieler, Entertainer, Womanizer – aber auch Alkoholiker. Trotz seiner Ecken und Kanten, oder vielleicht gerade deshalb, liebte das Publikum den Ur-Berliner so sehr.

Harald Juhnke hatte diesen gewissen, gutbürgerlichen Schmäh und konnte gleichzeitig im massgeschneiderten Anzug seinen weltmännischen Charme spielen lassen – ganz getreu dem Motto seines Evergreens «Barfuss oder Lackschuh».

Aufgewachsen in Schutt und Asche

Harald Juhnke kam kurz vor dem zweiten Weltkrieg mitten in Berlin in einem Arbeiterviertel zur Welt. Als er aufwuchs, versank seine Heimat in Schutt und Asche. Die Nachkriegszeit prägte den Teenager mit seiner ausgeprägten Berliner Schnauze. Mit Stolz berichtete er später darüber, wie er damals mit ausgebreiteten Händen vor den Ruinen des Schauspielhauses in die Welt hinausposaunte: «Ich bin Harry Herbert Juhnke, und ich werde eines Tages Deutschlands grösster Schauspieler werden!»

Aus Harry wird Harald

Er nahm Schauspielunterricht und nannte sich fortan Harald anstatt Harry, weil es seriöser klang. Im November 1948 wurde sein Traum wahr. Er erhielt ein festes Engagement beim Theater und landete kurz darauf beim Film. Juhnke spielte Pfarrer, Bandleader oder Liebhaber in zahlreichenKrimis und Komödien. Seine Wandelbarkeit trieb seine Karriere voran. Aber auch Juhnkes Alkoholproblem war in der Branche bekannt. Trotzdem wurde er immer wieder engagiert, denn wenn Harald auftrat, war das Haus voll.

Quotenhit im TV

1977 eroberte Juhnke zusammen mit Grit Böttcher als «Ein verrücktes Paar» in der ersten Comedy-Show des deutschen Fernsehens auch die Herzen des TV-Publikums . 1979 folgte die Einladung des ZDF die Musiksendung «Musik ist Trumpf» zu moderieren. Das war damals die erfolgreichste Musiksendung im deutschen Fernsehen überhaupt. Rund 30 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer schalteten jeweils am Samstagabend ein, wenn Juhnke die Showtreppe hinunterstieg. Ausserdem war er der «Mann für Fälle» und griff den «Drei Damen vom Grill» unter die Arme.

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Grit Bötcher:
aus Audio MW vom 07.06.2019. Bild: zvg
abspielen. Laufzeit 18 Sekunden.

Hinter der Bühne lauerte die Sucht

Zwischen den Shows und Engagements trieb ihn seine Alkoholsucht immer wieder in die Klinik. Dort wurde ihm offenbart, dass seine Sucht ihn in die Demenz treiben würde. Aber diesen Warnschuss ignorierte er, denn an Angeboten mangelte es nach wie vor nicht. Das Publikum verzieh ihm seine Schwäche .

Mann liegt auf Bett mit Flasche Whisky in der Hand und Zigarette im Mund.
Legende: Im Film «Der Trinker» spielte Juhnke 1995 quasi die Rolle seines Lebens. Keystone

Im Herbst des Lebens kommt die Anerkennung

Sein grosser Traum blieb die Anerkennung als seriöser Schauspieler. Dies gelang ihm erst 1992, als er im Film «Schtonk» brillierte. 1995 spielte er in «Der Trinker» quasi die Rolle seines Lebens und erhielt dafür die Goldene Kamera. Als Hauptmann von Köpenik spielte er sowohl im Theater als auch im TV die Hauptrolle und wurde dafür von den Medien gefeiert.

Aber der Alkohol hatte da bereits tiefe Spuren hinterlassen. Nach unzähligen weiteren Abstürzen wurde bei Harald Juhnke 2001 Demenz diagnostiziert. Seine Karriere war zu Ende.

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Manager Peter Wolf gibt das Ende Juhnkes Karriere bekannt
aus Audio MW vom 07.06.2019. Bild: zvg
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Harald Juhnke verschwand aus dem Rampenlicht. Er, dem einst ein fotografisches Gedächtnis zugesprochen wurde, vergass die Welt um sich herum. Bis zu seinem Tod am 1. April 2005 lebte er in einem Pflegeheim. Am 10. Juni 2019 würde er 90.

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