Es braucht schon etwas Spitzfindigkeit, um zu erraten, dass mit «La Mucca von Viehwaldi» eigentlich der Komponist Vivaldi und sein Meisterwerk «Nabucco» gemeint ist. Weitere eingesandte Schmunzler sind beispielsweise «Geisse rasera», welches sich als «Que sera, sera» von Doris Day entpuppt, «Schatten drei», hinter dem sich «J'attendrai» von Tino Rossi verbirgt oder «Isterwil gut fielen» mit dem eigentlich der 1980er-Jahre Hit «It's a real good Feeling» gemeint ist.
Ein letztes Mal Wunschfee
Mit akribischem Spürsinn und Know-how macht sich Hilde Thalmann jeweils ans Werk. An diesem 15. Februar 1993 stehen allerdings sie selber und ihre eigenen Musikwünsche im Mittelpunkt. Nach 25 Jahren Wunschfee und über 400'000 versendeten Musikgrüssen, verabschiedet sie sich in dieser 1351. Sendung von ihrem treuen Publikum.
Veraltetes Konzept
Das Wunschkonzert ist damals streng durchstrukturiert und in drei Teile gesplittet. Der Gedanke dahinter ist einleuchtend, wenn auch aus heutiger Sicht veraltet: Das ländliche Publikum zieht Volksmusik vor und muss früh aufstehen. Ergo wird zuerst Volkstümliches gespielt, woraufhin Schlager folgt. Diesen zieht das jüngere Publikum vor. Klassik hingegen folgt zum Schluss, da diese Sparte wiederum eher betagte Menschen interessiert, die morgens ausschlafen können.
Zu Hilde Thalmanns Radiozeit gilt das Wunschkonzert am Montagabend als wahrer Publikumsmagnet. Ihr zur Seite stehen die mittlerweile ebenfalls legendären Sprecher Heidi Abel und Roger Thiriet, die das Wuko jeweils im Wechsel moderieren.
Vom Musiknoten kopieren bis zur Moderatorin
Thalmann arbeitete als Schallplattenverkäuferin, besuchte fleissig Konzerte und studierte teilweise am Konservatorium für Musik. Dank all diesen Erfahrungen schaffte sie Ende der 1950er-Jahre den Sprung zum Radio DRS – damals noch Landessender Beromünster. Vorerst als Mädchen für alles. So kopierte sie mitunter Notenmaterial für das Radio-Orchester. Ihre breiten Musikkenntnisse bescherten ihr 1968 dann endlich ihre Lebensstelle als Musikredaktorin des Wunschkonzerts.
Nur katholische Interpreten
In ihrer Funktion übernimmt sie auch die Verantwortung darüber, welche Titel gespielt werden. Dabei achtet sie speziell darauf, dass ewige Favoriten wie «Steiner Chilbi» oder «Silberfäden» nicht überhand nehmen. Vor allem aber liegen ihr die Hörerinnen und Hörer am Herzen. Jeden Brief, der auf ihrem Schreibtisch landet, beantwortet sie persönlich. Dabei flattert auch manche Kritik herein. Ein Hörer beklagt sich beispielsweise, dass Thalmann nur Interpreten aus katholischen Gemeinden wählt.
Stolzer Paradiesvogel
Was ihrem Publikum leider vorenthalten bleibt, ist Hildes äussere Erscheinung. Man kann sie fürwahr als ein Paradiesvogel bezeichnen. Modisch ist sie irgendwo in den 1920er-Jahren hängengeblieben. Mit Boa, keckem Béret , Zigarettenhalter und bunten Kleidern erscheint sie jeweils im Radiostudio. Vieles davon schneidert sie sogar selbst. Ihren Spitzname «Paradiesvogel» trägt sie mit Stolz.
Seid lieb zueinander, dann ist das Leben schön
Jugendstil im Herzen
Noch lieber hätte sie allerdings im Wien des 19. Jahrhunderts gelebt. Ihre Privatwohnung gleicht denn auch einem Jugendstilmuseum. Auch wenn der meistgewünschte Titel ihrer Sendungen «Ein frohes Wiedersehen» ist, schwärmt Thalmann privat von klassischer Musik – vor allem von Gustav Mahler.
Mit dem Rollator ins Radiostudio
Ihren Lebensabend verbringt die Grande Dame des Montagabend-Wunschkonzerts in einer Basler Altersresidenz. Nach wie vor legt sie grossen Wert auf ihre optische Erscheinung und besucht mit Hilfe ihres Rollators auch ab und an noch ihren ehemaligen Arbeitsort im Radiostudio Basel. In der Nacht auf den 8. Dezember 2017 verstirbt sie im Alter von 86 Jahren.