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Schiefertafelmuseum Elm Als Elm die Schweiz mit Schultafeln versorgte

In Elm GL steht die letzte noch funktionstüchtige Schiefertafelfabrik der Schweiz. Bis in die 1980er-Jahre wurden hier Schreibtafeln für die ganze Schweiz produziert – später auch Jasstafeln. Heute lebt die Erinnerung weiter: als einzigartiges Museum mit Maschinen, Geschichten und viel Handwerk.

Wer in den 1950er- und 60er-Jahren in der Schweiz zur Schule ging, schrieb mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einer Schiefertafel aus Elm. Die Fabrik im Glarnerland war zusammen mit einer weiteren in Frutigen BE verantwortlich für die Versorgung der ganzen Schweiz – nicht als Konkurrenz, sondern im fairen Miteinander.

Jürg Schulers Urgrossvater Arthur Schenker gründete die Schiefertafelfabrik 1898. Im Familienbetrieb wurden die kleinen, handlichen Schreibtafeln in mehreren Arbeitsschritten angefertigt. Seit seinem zwölften Lebensjahr musste auch Schuler jeweils nach der Schule mit anpacken.

Wenn andere draussen spielten, mussten mein Bruder und ich nach der Schule hunderte Tafeln schleifen – manchmal bis spät in die Nacht.
Autor: Jürg Schuler

Es war eine zeitaufwändige und mühsame Arbeit. Am liebsten hätte Schuler damals die ganze Fabrik mitsamt Platten und Maschinen in die Luft gesprengt: «Wenn andere draussen spielten, mussten mein Bruder und ich nach der Schule hunderte Tafeln schleifen – manchmal bis spät in die Nacht.»

Immerhin: Dafür gab es ein wenig Taschengeld, von dem er sich später sogar ein Mofa leisten konnte. Heute ist der Groll von damals längst vergangen. Mit Stolz blickt Schuler auf diese Zeit zurück und ist seinem Grossvater dankbar dafür, dass er diese Lebenserfahrung machen durfte.

Geschliffen mit Erfindergeist

In der Blütezeit der Fabrik wurden die Tafeln aus Glarner Schiefer des örtlichen Schieferbergwerks hergestellt, zugeschnitten, geschliffen, eingefasst, gefärbt und mit Linien versehen.

Das Glarner Schieferbergwerk – einst Weltruhm aus Engi

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Im Landesplattenberg oberhalb von Engi wurde über Jahrhunderte Schiefer abgebaut – meist von Hand, unter härtesten Bedingungen. Ab dem 17. Jahrhundert exportierte man daraus gefertigte Schieferprodukte in alle Welt. Der Schiefer aus dem Glarnerland war so fein, dass man ihn zu edlen Tischplatten, Schiefertafeln und sogar Schmuck verarbeiten konnte.

1961 wurde der Betrieb aus wirtschaftlichen und arbeitshygienischen Gründen eingestellt – viele Arbeiter litten an Staublunge. Heute ist der Landesplattenberg ein eindrückliches Schaubergwerk mit Führungen, Fossilienfunden und unterirdischem Auditorium.

Später kamen vorgefertigte Platten aus Frutigen und sogar aus Genua zum Einsatz. Viele Maschinen konstruierten Schulers Urgrossvater und dessen Bruder Arthur selbst – sogar ein Motorrad wurde zum Schleifgerät umfunktioniert. Die harte Arbeit forderte ihren Tribut: «Mein Grossvater starb mit 82 an einer Staublunge und war schwerhörig vom Maschinenlärm», erzählt Schuler.

Während man die grossen Wandtafeln noch heute in den Klassenzimmern findet, sind die kleinen Schiefertafeln so gut wie verschwunden. Bereits in den 1970er-Jahren wurden sie durch praktische Schulhefte ersetzt. Auch Wandtafeln dürften bald aus den Schulzimmern verschwinden und durch Flipcharts, Smart- und Whiteboards ersetzt werden.

Rettung vor dem Abriss

In der Elmer Schiefertafelfabrik versuchte man sich zuerst noch durch die Produktion von Jasstafeln und Souvenirs über Wasser zu halten. 1984 war dann endgültig Schluss. Eine Grosscousine von Jürg Schuler wollte das Gebäude abreissen und ein Mehrfamilienhaus bauen. Die Familie wehrte sich – mit Erfolg. Letztlich erwarb die Stiftung Elm die Fabrik und funktionierte sie zum Museum um.

Wegweiser zur Schiefertafelfabrik und Besucherzentrum vor Berglandschaft.
Legende: Schleifen, staunen, husten: So staubig war Tafelmachen vor über 100 Jahren. Wer hier durchatmet, atmet Geschichte: Die Schiefertafelfabrik zeigt, wie Schule einst begann. Visit Glarnerland/Samuel Trümpy

Heute ist die Schiefertafelfabrik ein einzigartiges Zeitzeugnis. Maschinen, Schleifstaub, Kreidelinien – alles wirkt, als wäre der letzte Arbeitstag erst gestern gewesen. Besucherinnen und Besucher erleben nicht nur Glarner Industriegeschichte, sondern auch ein Stück Kindheit aus der Vergangenheit, das auf Kreidetafeln begann.

Radio SRF Musikwelle, 31.7.2025 13:20 Uhr ; 

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