Wer in den 1950er- und 60er-Jahren in der Schweiz zur Schule ging, schrieb mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einer Schiefertafel aus Elm. Die Fabrik im Glarnerland war zusammen mit einer weiteren in Frutigen BE verantwortlich für die Versorgung der ganzen Schweiz – nicht als Konkurrenz, sondern im fairen Miteinander.
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Bild 1 von 6. Arthur Schenker gründete die Schiefertafelfabrik Elm 1898. Bildquelle: Jürg Schuler.
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Bild 2 von 6. Seine Söhne Samuel Schenker und dessen Bruder Arthur übernahmen die Fabrik 1928. Bildquelle: Jürg Schuler.
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Bild 3 von 6. Jürg Schulers Vater Heinrich an der Schleifmaschine. Bildquelle: Jürg Schuler.
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Bild 4 von 6. Im Frühling war jeweils Hochsaison. Da wurden die Schulen beliefert. Bildquelle: Jürg Schuler.
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Bild 5 von 6. Jürg Schulers Vater Heinrich (r.) und sein Grossvater Samuel bei der Arbeit an den schweren Maschinen. Bildquelle: Jürg Schuler.
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Bild 6 von 6. Jürg Schulers Grossvater hielt die Firma auf Trab. Da musste auch sein Enkel nach der Schule jeweils in der Fabrik mithelfen. Bildquelle: Jürg Schuler.
Jürg Schulers Urgrossvater Arthur Schenker gründete die Schiefertafelfabrik 1898. Im Familienbetrieb wurden die kleinen, handlichen Schreibtafeln in mehreren Arbeitsschritten angefertigt. Seit seinem zwölften Lebensjahr musste auch Schuler jeweils nach der Schule mit anpacken.
Wenn andere draussen spielten, mussten mein Bruder und ich nach der Schule hunderte Tafeln schleifen – manchmal bis spät in die Nacht.
Es war eine zeitaufwändige und mühsame Arbeit. Am liebsten hätte Schuler damals die ganze Fabrik mitsamt Platten und Maschinen in die Luft gesprengt: «Wenn andere draussen spielten, mussten mein Bruder und ich nach der Schule hunderte Tafeln schleifen – manchmal bis spät in die Nacht.»
Immerhin: Dafür gab es ein wenig Taschengeld, von dem er sich später sogar ein Mofa leisten konnte. Heute ist der Groll von damals längst vergangen. Mit Stolz blickt Schuler auf diese Zeit zurück und ist seinem Grossvater dankbar dafür, dass er diese Lebenserfahrung machen durfte.
Geschliffen mit Erfindergeist
In der Blütezeit der Fabrik wurden die Tafeln aus Glarner Schiefer des örtlichen Schieferbergwerks hergestellt, zugeschnitten, geschliffen, eingefasst, gefärbt und mit Linien versehen.
Später kamen vorgefertigte Platten aus Frutigen und sogar aus Genua zum Einsatz. Viele Maschinen konstruierten Schulers Urgrossvater und dessen Bruder Arthur selbst – sogar ein Motorrad wurde zum Schleifgerät umfunktioniert. Die harte Arbeit forderte ihren Tribut: «Mein Grossvater starb mit 82 an einer Staublunge und war schwerhörig vom Maschinenlärm», erzählt Schuler.
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Bild 1 von 3. Was Jürg Schuler als Kind noch miterleben durfte, gibt er gerne an die junge Generation weiter. Bildquelle: Visit Glarnerland/Samuel Trümpy.
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Bild 2 von 3. Schnell wird klar: Wo geschliffen wird, entsteht auch viel Staub. In der Schiefertafelfabrik liegt noch heute Staub von gestern – und damit auch ein Hauch von Nostalgie in der Luft. Bildquelle: Visit Glarnerland/Samuel Trümpy.
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Bild 3 von 3. Vom Rahmen bis zur Schiefertafel selber wurde hier alles in Handarbeti gefertigt. Bildquelle: Jürg Schuler.
Während man die grossen Wandtafeln noch heute in den Klassenzimmern findet, sind die kleinen Schiefertafeln so gut wie verschwunden. Bereits in den 1970er-Jahren wurden sie durch praktische Schulhefte ersetzt. Auch Wandtafeln dürften bald aus den Schulzimmern verschwinden und durch Flipcharts, Smart- und Whiteboards ersetzt werden.
Rettung vor dem Abriss
In der Elmer Schiefertafelfabrik versuchte man sich zuerst noch durch die Produktion von Jasstafeln und Souvenirs über Wasser zu halten. 1984 war dann endgültig Schluss. Eine Grosscousine von Jürg Schuler wollte das Gebäude abreissen und ein Mehrfamilienhaus bauen. Die Familie wehrte sich – mit Erfolg. Letztlich erwarb die Stiftung Elm die Fabrik und funktionierte sie zum Museum um.
Heute ist die Schiefertafelfabrik ein einzigartiges Zeitzeugnis. Maschinen, Schleifstaub, Kreidelinien – alles wirkt, als wäre der letzte Arbeitstag erst gestern gewesen. Besucherinnen und Besucher erleben nicht nur Glarner Industriegeschichte, sondern auch ein Stück Kindheit aus der Vergangenheit, das auf Kreidetafeln begann.