In den USA und Kanada entwickelte sich der ursprünglich irische Brauch Halloween über die Jahrhunderte zu einem der grössten Volksfeste. Seit den 1990er-Jahren ziehen auch hierzulande am 31. Oktober immer mehr Kinder von Haus zu Haus und bitten als Skelette, Hexen oder Zombies verkleidet um Süssigkeiten. Halloween ist aber viel mehr als nur Maskerade. Geht es doch in seiner Essenz darum, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Es fühlt sich gut an, sich wohlig gruseln zu dürfen oder als untoter Unhold durch die Gassen zu ziehen.
Der Totentanz
Gerade die katholische Kirche und ihre strengen Sitten beeinflussten im 14. Jahrhundert in Europa das Aufkommen des Danse Macabre – eine Kunstform, bei der bildhaft dargestellt wurde, wie der Tod die Menschen zum Tanz auffordert. Dabei macht er keinen Unterschied zwischen Stand, Herkunft oder Alter. Der Bauer wird genauso zum Todestanz gebeten wie die adlige Dame und gar der Papst. Eine Genugtuung für alle, die den unteren Schichten angehörten und eine Tradition, die über Jahrhunderte gepflegt wurde.
Kunst trifft auf Schädel
Sowieso schien man sich des Todes früher viel bewusster zu sein. Nach der Aufhebung von Gräbern wurden in römisch-katholischen Gebieten Europas die Knochen der Verstorbenen gesammelt und in Beinhäusern zur Ruhe gelegt. Diese Beinhäuser waren bis ins 19. Jahrhundert fester Bestandteil der Bestattungskultur. Oft wurden Schädel bemalt und beschriftet. Die auf den Knochen angebrachten Namen der Verstorbenen bieten eine individualisierte Erinnerung an die Verstorbenen.
Später wurde diese Friedhofspraxis europaweit kritisiert. Viele Beinhäuser wurden deshalb geräumt oder gar abgerissen. In der Schweiz sind heute allerdings noch mehrere duzend Beinhäuser erhalten – vor allem in traditionell römisch-katholisch geprägten Gebieten wie Graubünden, Wallis oder der Innerschweiz. Sie befinden sich immer in der Nähe der Kirche, da die Gebeine möglichst nahe an den Reliquien und dem Altar sein sollten. Die eindrücklichsten Knochensammlungen befinden sich in Naters und Leuk.
Der Schweizer Wirtschaftsinformatiker und Fotograf Yves Müller sowie die Schweizer Theologin und Religionswissenschaftlerin Anna-Katharina Höpflinger beschäftigen sich seit 2013 mit Trauer- und Friedhofskultur in Europa. Die eindrücklichen Ergebnisse ihrer Nachforschungen hielten sie einerseits in diversen Publikationen sowie im Buch «Ossarium» und auf ihrer Homepage fest.