Am 6. August 2023 würde Wirth-von Kaenel 100 Jahre alt werden. Deshalb erscheint nun mit «Man nannte sie die Callas der Berge» eine Biografie, die ihre Lebensgeschichte dokumentiert, gespickt mit privaten Fotos und Erinnerungen.
Therese war keine, die bei ihren Auftritten die Hände hinter der Schürze versteckte. Nein – sie bot ihrem Publikum ein Show-Erlebnis. Locker schaffte sie dabei den Spagat vom traditionellen Jodeln hin zum volkstümlichen Schlager und wurde wohl gerade dadurch zum Star.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass man sie mit Titeln wie «Nachtigall des Jodelns», «Callas der Berge» oder «Lerche von Grenchen» umjubelte. Aber wie so oft im Leben, braucht man für eine erfolgreiche Karriere auch jemanden, der einem den Rücken stärkt.
Jodeln mit Wortwitz
Nur schon beim Durchblättern Thereses Biografie wird klar, wie eng das Verhältnis zu ihrem Mann Werner war. Die beiden glänzten auf der Bühne als Duo mit Wortwitz und Situationskomik.
Werner kann man aber auch als ihren Förderer bezeichnen. Er war es, der Therese dazu brachte, klassischen Gesangsunterricht zu nehmen. Sie konnte deswegen nicht nur virtuos jodeln, sondern genauso gut die Arie der Königin der Nacht schmettern. Ferner sorgte Werner durch sein Kommunikationstalent für das nötige Netzwerk, welches dem Künstlerduo wichtige Auftritte verschaffte. Ab Mitte der 1950er-Jahre zählten die beiden zur Schweizer Radio- und Fernsehprominenz.
Extravagante Erscheinung
Es gab auch kritische Stimmen
Bei so viel Erfolg sind die Neider natürlich nicht weit. Mitglieder des traditionellen Jodelpublikums bemängelten beispielsweise, dass es Therese bei ihren Vorträgen immer so «pressant» habe. Da ihr der Eidgenössische Jodlerverband andauernd Steine in den Weg legte und sie nicht ernst nahm, trat sie schliesslich aus dem Verband aus.
Darauf geht die Biografie allerdings nur kurz ein. Vielmehr wird ihre unvergleichliche Stimmfarbe gerühmt, mit der sie sogar in der Londoner «Royal Festival Hall» oder in der New Yorker «Radio City Music Hall» das ansässige Publikum mit Schweizer Folklore-Shows bezauberte.
Werners Tod – ein Wendepunkt
Gross war die Trauer, als Werner 1974 mit nur 55 Jahren verstarb. Ein Wendepunkt in Thereses Leben, die sich bis dato immer auf seine starke Schulter verlassen konnte. Eindrücklich beleuchtet die Biografie, wie sie als Frohnatur plötzlich von Existenzängsten geplagt wird. Wie sie versucht, sich und ihre Kinder über Wasser zu halten und dabei wortwörtlich die Stimme verliert.
Es dauert einige Zeit, bis sich Wirth-von Kaenel wieder fassen kann. Einen letzten TV-Auftritt hat sie am 8. April 1978 in der damals sehr beliebten TV-Sendung «Zum doppelten Engel».
Letzte Ehre
Therese stirbt am 18. September 2005 kurz nach ihrem 82. Geburtstag im Bürgerspital in Solothurn. Was sie nebst ihrem Talent auszeichnete, war ihr Engagement für ihre Heimatstadt Grenchen. Am 19. Juni 2023 wird ihr kurz vor ihrem 100. Geburtstag posthum der Kulturpreis der Stadt Grenchen überreicht. Eine Ehre, die sie zu Lebzeiten sehr gefreut hätte.