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Zeitzeugen erinnern sich Als die Schweizer Männer Ja sagten zum Frauenstimmrecht

Am 7. Feburar 1971 war es endlich soweit: Mehrere Jahrzehnte nach den ersten Vorstössen, nahmen die wahlberechtigten Schweizer Männer mit einem deutlichen Ja das Stimm- und Wahlrecht für Frauen an. Auch 50 Jahre später sind die Erinnerungen an diese Zeit noch sehr lebendig.

Vor 50 Jahren wurde in der Schweiz das Frauenstimmrecht eingeführt. Die Vorgeschichte zu diesem historischen Ereignis ist einige Jahrzehnte länger. Bereits 1893 forderte der Schweizerische Arbeiterinnenverband das Frauenstimm- und Wahlrecht vergeblich.

1971: Ja zum Frauenstimmrecht auf Bundesebene

1929 reichte der Verband für Frauenstimmrecht SVF bei der Bundeskanzlei eine entsprechende Petition ein – ohne dass etwas passierte. Die erste Volksabstimmung scheiterte 1959 mit einem Nein-Stimmen-Anteil von 66,9 Prozent.

Nach wiederholten Protesten der Frauenbewegung führte der Bundesrat 1971 eine erneute Abstimmung durch. Diesmal legten 65,7 Prozent der männlichen Wähler ein Ja in die Urne.

Persönliche Erinnerungen

50 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts erinnern sich noch viele Schweizerinnen und Schweizer an die Zeit vor, während und nach der Abstimmung. Geteilte Meinungen gab und gibt es immer noch.

So schreibt SRF Musikwelle-Hörer Josef Ineichen: «Zu dieser Zeit konnte ich noch nicht an der Abstimmung teilnehmen, da ich noch nicht volljährig war. Ich war mit meinem Vater nicht einverstanden, der gegen das Frauenstimmrecht war».

Er erinnert sich auch noch gut an einen jungen, erst 22-jährigen Arbeitskollegen, der die Meinung vertrat, dass Frauen hinter den Herd gehören. Für diesen Zweck seien sie geschaffen und geboren und nicht für die Politik. Diese sei Männersache.

Befürchtungen und Feiern

Adrienne Grichting-Schläpfer erinnert sich an die zwei Lager in ihrer liberalen Familie. Die Männer seien gegen das Frauenstimmrecht gewesen. Sie hätten wohl Angst gehabt vor den Franziskanerinnen des Klosters Baldegg. Sie befürchteten, die Politik würde konservativer, wenn Frauen wie die Franziskanerinnen mitreden können.

Als Schülerin im Institut Hertenstein, hat Adrienne Grichting diese Baldegger Schwestern aber durchaus progressiv erlebt. Die Gleichstellung von Mann und Frau war ihnen ein wichtiges Anliegen. Am ersten Wahltag, nach Einführung des Frauenstimmrechts, fuhren sie mit allen wahlberechtigten Schülerinnen nach Weggis zur Abstimmung.

«Nach der Rückkehr gab es einen Apéro und ein Fest-Essen für die neuen Stimmbürgerinnen im Konvent. Es war ‹High Life›, wie wir es nannten!», so Adrienne Grichting.

Das JA von 1971 zum Frauenstimmrecht ist ein Meilenstein in der Geschichte unserer wunderbaren Demokratie.
Autor: Hansueli Meili

«Das war eine meiner ersten Abstimmungen», schreibt Hansueli Meili. Und weiter: «Ich war gerade mal 19 Jahre alt. Mit voller Überzeugung habe ich ein Ja eingelegt und mich sehr gut gefühlt. Schon damals war es für mich unerklärlich, warum die Frauen nicht an die Urne durften. Ein Meilenstein in unserer wunderbaren Demokratie».

1959 war die Vorlage noch chancenlos

Die 81-jährige Maria Etter aus Basel erinnert sich auch noch an die erste Abstimmung von 1959 zur Einführung des Frauenstimmrechts. «Überall in der Stadt waren Plakate aufgehängt. Junge Männer machten sich einen Spass daraus, diese zu ‹versudeln›. Meine Lehrerin hat sich darüber sehr aufgeregt. Als alleinstehende Frau fühlte sie sich besonders benachteiligt, da sie keine Möglichkeit zur Mitsprache sah.»

Während die Vorlage zur Einführung des Frauenstimmrechts 1959 noch scheiterte, war es 1971 dann endlich soweit. Beim Wunschkonzert des Südwestfunks durfte Maria Etter damals einen Musikwunsch für die Schweizer Männer aufgeben. Sie entschied sich für das Lied «Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht».

Gegenstimmen

Anders sieht das Pius Berger, der meint: «Die Zustimmung zum Frauenstimmrecht war der grösste Fehler der Männer in den letzten 50 Jahren!».

Wir Frauen sagen den Männern schon, was sie stimmen müssen.

Dieses Zitat wiederum gehört zu den Erinnerungen von Anita Imhof-Schiess aus Steinhausen. «Wir brauchen das Frauenstimmrecht nicht», habe sie damals schon auch gehört.

Frauenstimmrecht «ergrinde» geht in Ordnung

Christian Zwahlen (60) ist in Heiligenschwendi in einer Bauernfamilie aufgewachsen. «Am Mittagstisch oder beim Nachtessen waren immer viele Leute beisammen. Da wurde viel diskutiert. Das war für mich als Kind sehr interessant».

Die Eltern und eine Tante, die bei ihnen wohnte, seien für ihre Zeit wohl sehr aufgeschlossen gewesen. Dennoch: «Mein Vater vertrat die Meinung, es müsste nicht absolut sein. Aber wenn ‹sie› es ‹ergrinden› wollten, wäre das schon in Ordnung». Die Frauen hätten auch eine Stimme verdient, seien sich Mutter und Tante einig gewesen. Allerdings hätten sie nicht daran geglaubt, dass die Politik durch die Mitsprache der Frauen besser wird.

In Appenzell behalten die Männer das Sagen

Während die Schweizer Frauen ab 1971 das Stimm- und Wahlrecht auf Bundesebene hatten, taten sich die Appenzeller Halbkantone damit nach wie vor schwer. An den Landsgemeinden wurde die Forderung zur Mitspache der Frauen jeweils hartnäckig verworfen.

In Appenzell Ausserroden wurde das Frauenstimmrecht schliesslich 1989 in einer umstritten Abstimmung angenommen. Ein Jahr später trat es auch in Appenzell Innerrhoden aufgrund eines bundesrichterlichen Entscheids in Kraft.

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