Wie häufig kommen Panikattacken vor?
Gabi Rüttimann, körperzentrierte Psychotherapeutin aus Zürich: Relativ oft. Es gibt Zeiten, in denen jeder Zehnte mit einer Panikstörung zu mir kommt.
Wer ist denn betroffen? Junge, Alte, Frauen, Männer?
Ich stelle definitiv fest, dass einige junge Leute kommen, weil sie irgendeine Form von Panikattacken oder Panikanfällen haben.
Statistiken gibt es nicht. Ich beobachte, dass es etwa halbe-halbe ist, was das Geschlecht angeht. Es sind meistens eher gebildete junge Leute, die zu mir kommen. Studenten. Junge Menschen, die in der Berufsausbildung sind oder am Anfang ihres Berufslebens stehen und einen anstrengenden, interessanten, verantwortungsvollen Job haben.
Was passiert denn während einer Panikattacke genau im Körper?
Durch ganz alltägliche Dinge wie etwa Treppensteigen oder Konzentration wird im Körper eine Reaktion ausgelöst. Sei das Herzklopfen, Schwitzen oder Schwindel.
Im Körper kommt es zu einer ganz normalen Reaktion, die aber als bedrohlich wahrgenommen wird.
Es entsteht ein Teufelskreis: Es entsteht Angst. Angst führt zu muskulären Verspannungen. Das führt zu noch mehr Angst. Das wiederum führt zu noch mehr Verkrampfungen. Das kann zu einer Hyperventilation führen, was dann noch mehr Angst macht.
Die Betroffenen haben Todesangst?
Es geht um Leben und Tod, ganz klar.
Warum lösen ganz alltägliche Dinge solche Panik aus?
Ich habe bei vielen meiner Klienten festgestellt, dass es mit Druck zu tun hat. Leistungsdruck oder Überforderung im Beruf oder im Studium. Es muss irgendwo mit Druck zu tun haben, der nicht bewusst als Druck wahrgenommen wird.
So eine Panikattacke dauert einige Minuten. Das klingt nach wenig Zeit, die aber den Betroffenen brutal lang vorkommen muss…
Rein vom physiologischen Geschehen sind es etwa 20 Minuten. Dann flacht es wieder ab und wäre eigentlich vorbei.
Je länger ein Anfall her ist, umso schlimmer wird er in der Erinnerung wahrgenommen.
Das Verrückte bei Panikattacken ist aber, dass es zu einer retrospektiven Verzerrung kommt: Je länger so ein Anfall her ist, umso schlimmer wird er in der Erinnerung wahrgenommen.
Und was können Betroffene tun?
Ich lasse Betroffene, die zum ersten Mal wegen einer Panikattacke zu mir kommen, von einem Arzt untersuchen, um sicher zu gehen, dass wirklich nichts anderes da ist.
Wenn die Abklärung gemacht ist, das Herz gesund ist und sonst auch alles gut ist, muss man dann bei neuen Panikattacken nicht immer wieder zum Arzt. Aber das ist die Gefahr - die Betroffenen glauben nicht, dass alles gut ist.
Es geht um Leben und Tod, ganz klar.
Einerseits ist es wichtig, ganz klar aufzuzeigen, was im Körper passiert. Das keine körperliche Bedrohung da ist. Das Ziel ist, dass die Betroffenen die Reaktionen des Körpers richtig interpretieren können.
Andererseits geht es darum, die Ursache herauszufinden: Wo besteht Druck? Wo besteht die Überforderung?
Sind Panikattacken ein Zeichen unserer Zeit, wenn von Stress und Druck die Rede ist?
Stress hat jeder und nicht aus jedem Stress entsteht eine Panikattacke. Es muss irgendwo eine psychische Vulnerabilität da sein, die nicht verarbeitet worden ist, wo nicht hingeschaut wurde.
Unbewusst erlebte Leistungsanforderungen wie etwa jemandem genügen zu müssen: Ich bin nur gut, wenn ich das und das erreicht habe.
Das muss nicht aus bösem Willen geschehen. Es kann in familiärem Umfeld diesen Druck geben, den jemand aufnimmt und meint, er müsse dem nachgehen, obwohl das weder dem Tempo noch dem Wunsch der Person entspricht.