Die Kids mit den meisten «Bravo Hits»-CDs: Sie waren früher die Kings auf dem Pausenhof.
Denn streamen konnten wir damals noch nix. Und als wir irgendwann herausgefunden haben, wie man mittels Programmen wie «LimeWire» (R.I.P.) illegal Musik downloaden kann, haben wir damit in erster Linie die Computer unserer Eltern mit Viren gefüllt.
YouTube ist das «Bravo Hits» von heute
Heute ist alles viel einfacher. Die Kids können ihre Musik easy online ziehen – und zwar auf legalem und unkompliziertem Weg. CDs und Kassettli waren gestern: Das Smartphone ist der neue Discman und YouTube das neue «Bravo Hits»-CD-Regal.
«Ich höre das Lied einfach auf YouTube», sagt Gian-Carlo über seinen aktuellen Lieblingssong «Don't You Need Somebody» von Redone. Gian-Carlo ist 11 Jahre alt und besucht die 5. Klasse des Zürcher Schulhauses Hofacker.
Auch von seinen Klassenkameraden erhalten wir ähnliche Antworten. So hört auch der 10-Jährige Alan seinen Favoriten, «Turn Down For What» von DJ Snake, primär via YouTube und Smartphone:
Auf dem Pausenplatz hören wir Musik auf dem Smartphone.
Auch von «Hi-Fi» kann hier nicht wirklich die Rede sein. Denn grosse, teure Stereoanlagen sind nicht mehr angesagt. Für die Kids von heute ist Kompaktheit wichtig: «Wenn nicht auf dem Smartphone, dann hören wir unsere Musik ab und zu auf einem kleinen Böxchen», so Alan weiter.
Der eigene Musikgeschmack kommt erst später
Auch das Radio ist für die Fünftklässler noch immer eine wichtige Anlaufstelle. «Das erste Mal, das ich dieses Lied gehört habe, war im Radio», sagt der 11-jährige Meo über «Manhattan» von Bligg. Auch Lova, 10 Jahre alt, verkündet wie aus der Pistole geschossen: «SRF 3 ist mein Lieblingssender!».
Das ist wenig verwunderlich. Denn das, was bei den Eltern läuft, das hören eben auch die Kids. Und da bei den meisten Eltern im Auto oder Zuhause SRF 3 läuft, ist die Lieblingsmusik der Kids deckungsgleich mit den Charts. Shawn Mendes , Bruno Mars , Rihanna , Bligg oder Coldplay heissen die aktuellen Favoriten der Schulklasse.
Kinder entwickeln schon vor dem ersten Lebensjahr Präferenzen und Antipathien gegenüber Musik.
Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich, hat eine einfache Erklärung dafür: «Im Grunde genommen kann man es in einem Satz zusammenfassen: Wir mögen das, was wir häufig hören.»
«Kinder entwickeln schon vor dem ersten Lebensjahr Präferenzen und Antipathien gegenüber Musik. Wobei das häufig Präsentierte dann in der Regel auch das ist, was positive Gefühle und Präferenzen hervorbringt», so Jäncke weiter.
Einen «eigenen» Musikgeschmack entwickeln Jugendliche in erster Linie erst während und gegen Ende der Pubertät.
«Die zweite Musik-Entwicklungsphase ist die Phase der Peergroup. Also dann, wenn Kinder merken, dass sie soziale Wesen sind und die Bedeutung der Zugehörigkeit immer wie grösser wird», erklärt uns Jäncke.
Heisst im Klartext: In wenigen Jahren, oder sogar Monaten werden auch die Kids vom Schulhaus Hofacker ihren Musikgeschmack ändern: «Der treibende Motor ist dann die Peergroup. Man hört das, was der Freundeskreis hört – oder entscheidet sich bewusst dafür, sich davon abzugrenzen.»