Daniela Weinmann, die sich nach zwei erfolgreichen EPs für ihr Debütalbum den Schweizer Produzenten Martin Schenker ins Boot holte, erzählt auf «All Reality is Virtual» von ihren Eindrücken dieser digital-ewigen Welt, die eben aufhört zu existieren, sobald man das Handy ausmacht. Schon beim dritten Lied «Loneliness» wickelt mich Weinmann in ihren teils enigmatischen Erzählstrang:
Loneliness, you’re the friend that I hate the most
Ein Text, der die Offline-Einsamkeit beschreibt, löst in mir Assoziationen aus, die mit der Grundthematik einer digital-unlöschbaren Welt nichts mehr zu tun haben. In meinem Kopf geht es schnell um Freunde, zu denen ich eine passionierte Hassliebe empfinden.
Darin zeigen sich die Text-Fähigkeiten von Weinmann: Sie behandelt ein Thema lose genug, dass beim Hörer freie Assoziationen passieren, dass sich das Sujet des Songs im Hörerkopf weiterentwickeln kann. Immer wieder bleiben Textpassagen in meinen Ohren kleben, die für sich alleine auch ohne Kontext des Songs stehen könnten:
Why don’t you speak up for yourself – now that you’ve spoken for everyone else
Die Vielseitigkeit von Weinmanns Stimme lässt das Album kurzweilig klingen, von hoch gehauchten Tönen über dunklere Register springt sie oft in einer Phrase hin und her. Zusammen mit ihrer textlich minimalistischen Herangehensweise an grosse Themen ergibt sich ein hoher Wiederkennungswert bei Odd Beholder Songs.
Der generellen Melancholie und Fragilität der Musik von Odd Beholder wird durch die starken Produktionen ein Gerüst verliehen, das den oft verträumten und flüchtigen Vocals einen irdischen Körper bietet. Dass dieses Gerüst oft tanzbar ist (insbesondere auf dem Titeltrack «All Reality is Virtual» der Fall), dass Tempi-Variationen passieren, zusammen mit den grösstenteils anschmiegsamen Melodien von Synthies, Bässen und Weinmanns Stimme machen das Album zugänglich und sorgen für eine uniform abwechslungsreiche Fahrt ans Ende der Platte.