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Rapper Raf Camora und Moderator Mauro Wolf posieren
Legende: Raf Camora und Mauro Wolf .. beim Gespräch am Openair Frauenfeld 2017 SRF Virus

Bounce Raf Camora lässt auf «Anthrazit» die Raben fliegen

Das fünfte Soloalbum des Westwieners und Wahlberliners kommt relativ kurz nach dem Über-Hype, den er mit Bonez MC und der Strassenbande auf «Palmen aus Plastik» erfahren durfte. Was kommt jetzt? Palmen - einfach ohne Bonez? Kann Camora an den Style und den Erfolg anknüpfen?

2016 zerfetzt / Erst ein Ghost, jetzt erkennt mich dein Dad / Herz: Anthrazit. Oberfläche, die glänzt / Dieses Album: mein bestes bis jetzt.
Autor: Raf Camora - Intro - Anthrazit

Ja, das sagt schon wirklich jeder Rapper vor dem Release eines neuen Werkes. Raf Camora , oder Raphael Ragucci, der erst nach seinem Switch vom «konventionellen» Battlerapper zum experimentellen Reggae-/Dancehall Dude mit wienerischen Akzent einen grösseren Erfolg verbuchen konnte, tut dies auf dem Intro seines neuen Albums «Antrazit» ohne Zweifel in der Stimme.

Dieser Überraschungseffekt, der Raf zweimal in seiner Karriere gelang, einmal mit dem Switch zum Reagge-Pop-Rap als «Raf. 3.0», und mit dem alles zerf******* Kollabo-Album mit Bonez MC , den gibt’s es im Regelfall kein zweites Mal. Deshalb finde ich es extrem schwer, nur schon beim Intro von Rafs neuem Album «Anthrazit» abzuschätzen, wie «gut» das Ding im Verhältnis zu seinen bisherigen Releases steht – weil ich es mir gewohnt bin, von Raf mit gutem Reggae-/Dancehall-Rap versorgt zu werden.

Die Rezeptur

Die ist spätestens seit dem letzten Soloalbum «Ghost» da. Rafs Gespür für catchige Reggae-/Pop-Melodien, seine einzigartigen Texte mit Hang zum pathetisch/düsteren, und seine meist selbst produzierten, Dancehall-poppigen Beats. Das ist auf Anthrazit nicht anders und hinterlässt keinen schlechten Geschmack, aber einen etwas einfarbigen: So imposant wie die extrem gut produzierten Songs sind und wirken, so geil wir den klaren Frankreich-Einfluss finden, so wird man doch immer wieder vom gleichen Güterzug überfahren.

Dem entgegen stehen die Texte und der Flow von Camora. Er flowt schon sehr irrwitzig geil auf den Dancehall-Rythmen, scheut sich nicht vor präsizen Doubletime-Passagen und beherrscht sein eigenes, sehr repetitives Reimschema bis aufs Äusserste. (Er setzt die Reimwörter in den Strophen z.B. praktisch immer auf den ersten Schlag der Takte - aber in dieser Rigidität platziert er ziervoll gute Reime und Bilder.)

Der Rabe ist ein stetiger Begleiter und verbildlicht Camoras Hang zum Düsteren. Man hört ihm immer gerne zu und die Featurewahl macht Spass. Auch Partner Bonez MC , Gzuz , Maxwell , Gentleman und KC Rebell zeigen ihr Können auf «Anthrazit». Insbesonders Ufo 361 und Kontra K rasieren mit ihren Beiträgen viel und schnell.

Für mich die geilsten Nummern: «Niemals» feat. Kontra K. Kontra flowt und halb-singt sich durch eine exzellente Strophe, die immer wieder überraschende Stellen aufweist - etwas, was auf dem musikalisch weniger überraschenden Album guttut. «Money» feat. Ufo 361 kann ich auf Superrepeat hören, das ist einfach ein Banger und eine sehr geile Kombo. Meine liebste Hook finde ich auf «Andere Liga» - Raf reimt extrem geil und zeigt: diese Dancehall-Hooks, die hat er in Blut und System.

Fazit: Auf die Frage, ob Raf an den Erfolg anknüpfen kann, behaupte ich nach so kurzer Zeit - wahrscheinlich nicht in dem Mass wie es den Palmen erging. Einfach weil es jetzt diesen Überraschungspunch nicht mehr hat. An die Qualität aber knüpft er nicht nur an, er entwickelt sie weiter, insbesondere was Flows anbelangt und wirkt so, als wäre er musikalisch endgültig dort angekommen, wo er sein will.

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