Liebe und Wut, Turn-Up und warme, soulige Liebessongs. Eingestehen eigener Schwäche, das Monieren gesellschaftlicher Missstände und Spiritualität on Fleek. Trap mit Aussage ohne Vibe-Verlust, Livefähigkeiten wie höchstens vier andere Crews im Land, popkulturelle Unabhängigkeit und Originalität – wie es sein sollte im Rap. Das alles sind S.O.S – das weiss man nach fünf Minuten Livekonzert und drei Songs ab Platte.
Am Royal ha i ds Publikum sit House Of Pain Jump Around nie meh so gseh abga! ...wie bi S.O.S.
Am Royal Arena rissen S.O.S im Swiss Rap-Allstars -Slot ab – wie man das absolut von ihnen erwarten darf. Dass sie, und ein paar wenige andere Crews der Schweiz, das Zeugs haben und hätten, die grossen Slots an Festivals zu killen, über das lassen wir uns ein anderes Mal naus.
Aber fest steht: Live gehören S.O.S zur oberen Speerspitze der Schweizer Acts. Ihr Movement, ihre militanten, selbstlosen Fans garantieren Moshpits – aber auch bei « fremdem » Publikum ist ihre reisserische Energie unverweigerbar.
Zwei Alben, zwei Meinungen
«Akim» und «Imani» – zwei Alben, am selben Tag. Auf die Frage «why the f***?» antworten S.O.S schlicht und einfach: Sie hätten halt viel zu sagen. Wie wahr das ist!
«Akim»
Also erstens, unter den zehn Liedern befindet sich kein Skipper. Das ist definitiv Musik zum Autofahren, und das ist vor Putz- und Buchhaltungsmusik das mir grösstmöglichste Kompliment. Nativ, Dawill und ihre Beatpicks zeigen sich originell, von Humor beseelt und getränkt in einer Ehrlichkeit, welche die im Rap gängig, gar notwendige Grossgekotztheit, nicht nur verträgt, sondern zwecks Komplementierung benötigt.
Die absoluten Rewindsongs sind für mich «Robocop» und «Unconscious».
«Robocop»
Endlich! Grime in der Schweiz! Der Beat ist Feueremoji x 5. Es ist der FTP-Track auf dem Album, mit einer gehörigen Portion feuerbrustigem Idealismus versehen, und nicht ohne Empathie gegenüber den von S.O.S angeprangerten Polizeikräften.
«Unconscious»
Alles, was ich mir beim Durchhören gedacht habe: Tränen. Musikalisch öffnet der erste nicht-trappige Song auf «Akim», durch diesen überraschenden – aber von mir dringlich ersehnten – Boombap Beat, die Pforten, die für Nativs persönlichsten Track auf dem Werk von Nöten offen stehen müssen.
Honorable Mentions
1: Dawill's Stropheneinstieg auf «Safe» ist mein liebster CH-Rap-Stropheneinstieg – ever.
2: Vitamin. Der letzte Song auf «Akim» tut gut. Im Sumpf der ewig gleich-klingenden, seit « Palmen aus Plastik » obligaten Dancehall/Afrotrap-Sulzversuchen, welche die DE- & CH-Raplandschaft in eine Gummistiefelzone verwandelt haben, tut es gut zu hören, dass man das auch richtig frisch und auf festem Boden tun kann.
Pablo
«Imani»
Die beiden Alben gegeneinander aufzuwiegen wäre absoluter Nonsens. S.O.S steht drauf, S.O.S ist drin – in all seinen Facetten! Wer ihren Sound mag, vergleicht nicht, sondern schmeisst gierig das nächste Album ein, wenn das Erste beim zehnten Track angekommen ist…und hört es sich an – ganz ohne zu skippen! Zu meinen Highlights gehören folgende drei Songs:
«Höhlelöiläder»
Dieser neandertalereske Männlichkeitsswag ist bereits seit einem Jahr classic.
«Überläbä»
Wie Nativ auf diesem Track einsteigt und den Beat in der Luft abfängt, ist major: «Morge am nüni, i ha nid viel gschlafe, nid viel z’lache, dör mi Chopf gö so viel Sache. Aaah. Mim Papa hei si g’chündt, sie wei Gwinn mache und darum muess er jetzt packe…» Und dann: «PAPA ISCH E GRINDER, ER HED NIE KLAGT!» – Und der Kopf nickt – uff!
«Persischi Chuchi»
Mein Hip-Hop-Moment auf dem Album – das Instrumental rasiert. Ein gradliniges Hip-Hop-Feuerwerk mit Coolness Level auf 10. Nativ und Dawill spitten sich die Seele aus dem Leib.
Mauro
Fazit
Liebe. Wut. Kritik. Spannend und ansprechend ausgedrückte Gedanken, auf originellen und von Eigenheit durchzogenen, wenn auch sehr zeitgemässen Beats, viel Aussage, genug Humor und massiv geile Stimmen und Melodien. So klingt ein richtig gutes Rapalbum 2017. Oder zwei.