Wer hat recht? Der nerdige Fan, der dir die Geschichte einer Band auswendig aufzählen kann und deshalb findet: «Nein, Song ‹xy› ist nicht geil, weil… blablabla»? Oder ist es der Laie, dem die Hook von «Jung verdammt» «eifach no gfallt» und deshalb mitsummt, der dir aber den Unterschied zwischen «Freestyle» und «Exclusive» nicht erklären könnte, selbst wenn Tommy Vercetti Souffleur spielen würde?
Der Spagat zwischen den Zuhörerschaften
Ich denke, beide haben recht. Aus der Sicht des Musikers ist einem aber wohl die Meinung und Kritik eines Nerds wichtiger als das weniger spezifische «JAMANN! VOLL GEIL!» des «normalen» Fans. Was wiederum nicht immer nur Sinn ergibt, weil es von den «normalen» Fans ja viel, viel mehr an der Zahl gibt.
Lo & Leduc haben sich mit ihrer Mixtape-Reihe «Update» (2009, ’10 & ’12), den drei «Ultimate MC Battle»-Titeln von Lo (2008, ’09 & ’10) und zahllosen legendären «Virus Bounce Cypher»-Momenten tief in das Herz der kleinen, nerdigen CH-Rapszene gespielt.
Mit ihrem Debütalbum «Zucker fürs Volk» haben sie dann die Dachluke Richtung Mainstream-Sonnenschein aufgetan. Dort stehen sie, leinenbekleidet und an etwas Stilvollem nippend, und es geht ihnen prächtig.
Wieso kommen Lo & Leduc an einen Cypher?
Berechtigte Frage. Denn: Dort gucken doch «nur» Nerds zu, oder?
Würde man eine Strassenumfrage zwischen dem Bekanntheitsgrad von «Jung verdammt» (Sorry, dass ich euch immer wieder auf diesen Song reduziere. Das habt ihr vom Hit-Schreiben, Jungs!) und den zahlreichen Freestyle-Battle-Titeln von Lo machen, das Ergebnis wäre ziemlich eindeutig. Aus Marketing-Gründen kommen Lo & Leduc also sicher nicht an den Cypher.
Längst haben die beiden die Pforte zum ganzen Volk aufgetan, die Gesamtmenge der deutschsprechenden Schweiz. Also nicht nur zu den lässen, jungen CH-Rap-Fans, sondern zu ALLEN. Aber wenn sie Musik für das ganze Volk machen, verlieren sich gewisse Sachen «Lost in Translation». Komplizierte Vergleiche und Metaphern, die eigentlich nur andere Rapper verstehen können, machen auf einem Mainstream-Album einfach keinen Sinn.
Also nochmals: Wieso kommen sie noch an den Cypher? Weil es ihnen immer noch Spass macht, die Besten zu sein.
Und vielleicht, weil ihnen die Zusprache der klitzekleinen Rap-Szene eben doch nicht ganz egal ist. Aber hauptsächlich ist es wohl einfach wegen der Freude an der Kür.
Zusammen mit Tommy Vercetti und Manillio – die ebenfalls unglaublich waren – haben Lo & Leduc dem Cypher letzte Woche einen Watermark verpasst, der jahrelang nicht verbleichen wird. Da sind Wortspiele gefallen, die so unauffälig komplex sind, dass ich sie nur anhand der YouTube-Kommentare von Fans verstehe. Los «mer si am Gas gä (Gasquet) wide Richard» zum Beispiel.
Der Average-Fan von Lo & Leduc weiss nichts von Cypher, Battles und Freestyle-Conventions. Aber dem ist das auch völlig egal. Dass Lo & Leduc, die auf ihren preisgekrönten Schädeln nun wirklich keine Hörner mehr zum Abstossen tragen, sich so hart Mühe geben, und mit 100 % exklusiven, kurz zuvor geschriebenen Texten an den Cypher kommen, ist so «real», dass man einfach nur auf den Boden gucken und klatschen sollte.
Da passt es zeitlich hervorragend, kündigen Lo & Leduc gleich eine Woche nach dem Cypher das Release von «Update 4.0» an. Das ist kein Nachfolger zu ihrem letzten Album «Ingwer fürs Volk», sondern die vierte Auskopplung ihrer «Update»-Mixtape-Serie.