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Bounce Rennie von Sektion Kuchikäschtli droppt ein (letztes) Album

Rennie ist eine CH-Raplegende: Mit Sektion Kuchikäschtli brach er Verkaufsrekorde und schrieb mit «I han» einen Hit, der noch heute nach einem Takt erkannt wird. Nach ewigem Hiatus kommt Rennie mit einer «Randnotiz» zurück und macht klar: «Dr Rennie, und ned eine vo eu Hueresöhn!».

Nichts mit EP, «Ich komme bald richtig wieder»-Mixtape oder ein paar Looseys – Rennie droppt gleich 16 Songs, also ein richtiges Album. Ein Album, auf dem Rennie hörbar Spass hat, aber zu dem später.

Als ich vor etwa zwei Jahren von einem Renato eine Email erhielt, war der letzte Anblick dieser Mailadresse so lange her, dass ich auf das erste Hinschauen nicht realisierte, wer mir da gerade schrieb. Als diese Erkenntnis nach leichter Verzögerung und Überprüfen des Nachnamens einsank, kam auch die ungläubige Freude über den Inhalt des Schreibens, denn ein: «Ey Pablo, ich schreibe wieder, kennst ein paar gute Beatmakers?» von Rennie von Sektion Kuchikäschtli lässt einem 85er-Jahrgang-Rapfan wie mir das Herz aufgehen wie ein *insert 2000er Backwarenvergleich*.

Das Wissen, dass Rennie wieder schreibt, trug ich die letzten zwei Jahre mit Freude mit mir herum, aber ohne zu grosse Erwartungen – Vorsicht mit Vorfreude ist etwas, das man lernt als Rapfan; denn Sätze wie «Ich brauch Beats» oder «Ich hab wieder Bock auf Rap», können ja bekannterweise auch nur eine kurze Momentaufnahme und keineswegs eine diszipliniert durchgeplante Absicht darstellen. Umso grösser also mein Elan und mein Erquicken ob der Stichhaltigkeit dieser Intention, heute, zwei Jahre später.

Das Soloalbum kommt

«Randnotiz» wird ohne grossen Promokuchen oder Videos veröffentlicht: Der ewig Cypher- und Interviewscheue Rennie winkte in der Vergangenheit bei Anfragen unsererseits stets lächelnd ab, so auch jetzt bei seinem ersten Release seit dem Sektion-Kuchikäschtli-Album «Affatanz» 2007 – ein klassischer Fall von «die Musik soll für sich sprechen». Also, dann halt!

Ich nehme die verschweisste CD aus der braunen, dicken Couverthülle, und...lasse den Plastikverschweiss dran, stelle sie ins Ehrenregal und lade das Zip runter, das mir Rennie zusätzlich geschickt hat.

Der Player geht auf und seine idiotische Random-Reihenfolge, die ich einfach nicht aus den Einstellungen wegkriege, wählt den zweiten Song auf «Randnotiz» aus: «Outdated» (übrigens von unserer Redaktion geschlossen als «die einzige Art, sich als Oldschooler wirksam oldschoolig zu zeigen: mit Selbstironie und Eier».

Ein warmes Pianosample trifft auf ein Ohr, das plötzlich das Gefühl hat, keinen Tag älter als 16 Jahre alt zu sein, auf einen Baggiepants & Wutang-Hoodie rockenden Teeniepablo mit Bandana, dem es scheint als habe er seit ewig nicht mehr so selbstverständlich mit dem Kopf genickt und so akribisch auf den Text gehört.

Das Rennie-Hörerlebnis

Das ist ein Rennie-Hörerlebnis: Kopfnicken, weil die smoothen, souligen Samplebeats es einfach verlangen und penibel genau zuhören; denn Rennies Reimschemata sind ein vielsilbiges Vergnügen komplexer Natur und gehen IMMER auf. Ein Renniereim ist in seiner Form zwar sehr voraussehbar, seine Flowmonotonie gar ein Stempel der Zuverlässigkeit, aber genau dieser ungebrochene Rythmus hört sich einfach jedes mal so gut an.

Ein Rennie-Vers ergiesst sich über den Beat wie die transsibirische Eisenbahn auf Gleisen durch den Permafrost dampft. Als Rapfan macht es grossen Spass, Rennie zuzuhören – selbst wenn ich ab und an denke: «Mann, der Dude wechselt NIE den Flow». Doch er wechselt ihn eben so gut nicht, dass ich meinen Einwand achselzuckend zurückziehe.

Noch immer der Alte – ohne zu langweilen

Produziert haben der Berner SAD und I.L.L. Will aus Hamburg und das Album klingt... wie früher – ohne dabei zu nerven oder Real-Keepig zu wirken. Das auch dank Rennies Intelligenz und dem humorvollen Umgang mit Themen wie das der «neuen Ära», zum Beispiel hörbar im Track «Find mi ab demit»: «Es sind scho Lüt ko die hend gfunde Schwiizer Rap sig gfickt / doch I kenn au en anderi Ziit, kei Sau hed gwüsst dass' schwiizer Rapper git».

Soulige Beats stampfen, eiern und bumtätschen auf «Randnotiz», ab und an wird ein Vocalsample hochgepitcht und Rennie rappt, wie er es schon immer tat: vom Rap und der Schweizer Variante, von seinen Eindrücken aus dem Leben und viel von sich. Finanziert wurde der labellose Rennie (R.I.P. Nation Music) durch eine erfolgreiche Crowdfunding-Aktion – wir danken den Spendern und vorallem einem Rapper, der nach wie vor zu den besten seines Faches gehört. Auch wenn sein Fach nur noch dort unterrichtet wird, wo Altgriechisch und Latein noch auf dem Kurrikulum stehen.

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