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Film-Review Rendez-vous mit einem Totgesagten

In «Der Unschuldige» geht eine Frau eine Affäre mit einem Mann ein, der für tot erklärt wurde. Ihr Umfeld glaubt, dass sie vom Teufel besessen ist. Simon Jaquemets neuer Film ist ein Psychothriller, der ein düsteres Bild des Freikirchen-Milieus zeichnet – verstörend, stylisch und aus der Schweiz!

Die Story

Ruth lebt mit ihrem Ehemann und ihren zwei Töchtern in einem Einfamillienhaus irgendwo in der Schweiz, arbeitet als Tierärztin in einer medizinischen Forschungseinrichtung und ist Mitglied einer Freikirche.

Ihr streng geregeltes Leben gerät aber jäh aus den Fugen, als ihr Ex-Geliebter Andi auftaucht. Andi wurde vor rund zwanzig Jahren wegen Mord verurteilt. Bis heute glaubt Ruth jedoch an seine Unschuld.

Ruth kämpft gegen ihre immer noch starke Anziehung zu Andi und hat schliesslich Sex mit ihm. Als Ruth ihrem Ehemann das beichtet, ist dieser überzeugt davon, dass Ruth vom Teufel besessen ist – Andi wurde nämlich schon seit Längerem für tot erklärt.

Das hat funktioniert

Über das karge Setting (unterirdische Klinikräume, triste Gemeindesäle und finstere Wälder) zum düster-kalten Look der Kamerabilder – alles in «Der Unschuldige» ist in einem Stil gehalten, der einem vor Unbehagen wortwörtlich erschaudern lässt. Dies unterstreicht gekonnt den Gräuel der Geschichte und versetzt den Zuschauer in den gleichen, beklemmenden Zustand wie Protagonistin Ruth.

So gelingt es Regisseur Simon Jaquemet eindrücklich, in «der Unschuldige» eine Welt zwischen Realität und Albtraum zu kreieren.

Das hat nicht funktioniert

In diesem Film dominieren lange Einstellungen und wenig Dialog – dies führt ab und an zu langgezogenen, trägen Passagen, die Gefahr laufen etwas langweilig zu werden.

Der Film spielt mit vielen Metaphern und bleibt an gewissen Stellen gewollt im Rätselhaften. Dass dadurch die Botschaft des Films nicht ganz klar wird, kann bemängelt werden.

Auch schade: Der Film wird hauptsächlich von der Hauptdarstellerin Judith Hofman getragen, die mit einer herausragenden Leistung als Ruth konstant zwischen Lust, Wahnsinn und ihren Prinzipien pendelt. Dies kann man leider nicht von allen Figuren behaupten, was sich in einigen papierig-steifen Dialogen zeigt.

Fazit

Mit dem verstörenden Coming-of-Age-Drama «CHRIEG» gelang es Simon Jaquemet 2014 nicht nur Schweizer-Film-Klischees zu brechen, sondern auch internationale Aufmerksamkeit zu erlangen.

Auch sein neustes Werk ist im ähnlich beklemmenden Stil ein Film, der auf verschiedenen Ebenen für Gänsehaut sorgt. Mit «Der Unschuldige» zeichnet Jaquemet ein düsteres Bild des Freikirchen-Milieus – in das er sich über ein Jahr lang regelmässig selber begeben hat. Gleichzeitig erzählt er eine packende, mysteriöse Geschichte und lässt dabei auch bewusst Fragen offen – vielleicht etwas zu viele.

Dieser Film ist für

Leute, die auf avantgardistische Psychothriller stehen, für die, denen neuartige Horrorfilme mit starken Frauenrollen wie «Raw», «Blue My Mind» oder «Thelma» gefallen und alle, die sich für das Schweizer Filmschaffen interessieren.

Rating:

3 von 5 Punkten

Die Fakten

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Regisseur: Simon Jaquemet

Cast: Judith Hofmann, Christian Kaiser, Anna Tenta, Urs-Peter Wolters

Kinostart: 31.10.2018

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