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Helvetia «Das waren sicher die Schwarzen, die neu hierher gezogen sind!»

In der neusten Folge unserer Webserie «Helvetia» erzählt Comedian Kiko seine Geschichte. Er kam mit seiner Familie als Wirtschaftsflüchtling in die Schweiz, wo er zum ersten Mal auf eine neue Sprache und Alltagsrassismus traf. Uns erklärt er, wie er den Hass daraus in Komik umwandelt.

Zwei Monate nach seiner Geburt macht sich Frank Cabrera Hernandez', wie Comedian Kiko bürgerlich heisst, Vater auf nach New York: «Er hat dort nochmals geheiratet. Wir sind acht Kinder, ich habe vier Halbgeschwister.» Auch seine Mutter entscheidet sich ein paar Jahre später, die Dominikanische Republik als Wirtschaftsflüchtling mit ihrer Familie zu verlassen: «Mit sieben hast du keinen Plan, die Mutter entscheidet alles und du ziehst einfach mit.»

Mitgezogen ist der heute 34-Jährige nach Hefenhofen im Kanton Thurgau. «Es war eine neue Welt. Ein Kaff mit ein paar hundert Seelen», erinnert er sich. Neben einer Familie aus Albanien sind sie die ersten Ausländer im Dorf: «Der Sohn, Fatos, war unser Homie!»

Neue Sprache, neue Klischees

Es gab niemand anderes, der kein Deutsch konnte in meinem Jahrgang oder meiner Generation.

Als wäre der Umzug auf die andere Seite der Erde nicht Umstellung genug, heisst es für Kiko in der Schweiz: Deutsch lernen. «Ich war ganz alleine mit der Frau des Lehrers, denn es gab niemand anderes, der kein Deutsch konnte in meinem Jahrgang oder meiner Generation», erzählt der Comedian. «Das war cool, heute kriegst du sowas nur noch in der Privatschule.»

«Helvetia»

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Wie tickt die junge Schweiz? In der fünfteiligen Webserie «Helvetia» übernehmen junge Menschen mit und ohne Schweizer Pass das Wort. Sie erzählen persönliche Geschichten aus ihrer Kindheit, und von ihrer Herkunft.

In Hefenhofen wird Kiko zudem das erste Mal mit Rassismus konfrontiert: In der zweiten Klasse klopft nämlich ein Polizist an die Klassenzimmertür und will mit dem damals Achtjährigen sprechen, denn: Es wurden Blumentöpfe zerstört, die auf dem Schulweg des jungen Kikos lagen. «Der Besitzer dieser Töpfe dachte sich: ‹Das waren sicher die Schwarzen, die neu hierher gezogen sind!›» Bis heute verblüfft dieses Erlebnis den Comedian: «Die hatten Zeit, einen Cop in die Schule zu schicken, der einen Achtjährigen befragt!»

Die Grossmutter eines Freundes sagte zu mir: ‹Du bist aber ein herziges Negerbüebli!›

Damit ist aber nicht genug: «Auf der Schulreise fragte eine Frau im Restaurant: ‹Sirup für alle, oder doch lieber ein Neger-Sinalco?›» Ein andermal habe die Grossmutter eines Freundes zu Kiko gesagt: «Du bist aber ein herziges Negerbüebli!»

Das war in den Neuzigern. Bis heute ist der versteckte Rassismus aber nicht ganz aus dem Thurgauer Ort verschwunden, wie der 34-Jährige beim Antreffen seines Klassenlehrers merkt. «Du und deine Brüder, ihr habt im wahrsten Sinne des Wortes Farbe reingebracht hier», meint dieser nämlich.

Aus Wut wird Comedy

Wie willst du es ihnen übel nehmen, wenn sie solche Wörter benützen? Es kommt auf den Ton an.

Und Kiko? Der nimmt's heute auf die leichte Schulter: «Wie willst du es ihnen übel nehmen, wenn sie solche Wörter benützen? Es wäre schlimmer, würde jemand sagen: ‹Hey, du schwarze Siech!› Es kommt auf den Ton an.»

Ich nehm den Rassismus positiv, haue etwas Spass drauf und kann's so sogar für ein paar Nummern nutzen.

Das sah aber auch schon etwas anders aus: «Ich wollte mich radikalisieren, den Hass aufstauen und alles Schlimme, das passiert ist, sammeln.» Dann muss der 34-Jährige aber zu sich selber sagen: Scheiss drauf! «Ich nehm's positiv, haue etwas Spass drauf und kann's so sogar für ein paar Nummern nutzen», erklärt er. Denn: «Wenn bei Comedy niemand lacht, ist das richtig hart.» Und ihm passiere genau das eben nie, schmunzelt Kiko.

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