Gamerinnen und Gamer mit eingeschränkter Mobilität haben ein Problem: Verfügbare Eingabegeräte sind viel zu komplex. Ein heutiger Controller hat über 14 Knöpfe, die so gut wie alle Games auch benutzen. Und egal ob Tastatur oder Controller, man braucht eine gute Feinmotorik und Hand-Augen-Koordination, um ein Game zu spielen.
Doch was, wenn einem ein Arm fehlt? Oder man einseitig gelähmt ist? Nicht so fingerfertig ist, wie es ein Controller verlangt? Bislang mussten sich solche Gamer mit selbstgebastelten Lösungen behelfen oder teure Eingabealternativen kaufen. Seit September ist der «Xbox Adaptive Controller» von Microsoft auf dem Markt. Er verspricht, Games einem noch viel grösseren Publikum zugänglich zu machen.
«Heutige Games sind zu komplex»
Islam Alijaj und Esad Sadikovic sind «CP-ler», wie sie beide sagen – sie leben beide mit Cerebralparese . Beide haben früher oft Games gespielt, Sportspiele, aber auch Klassiker wie die GTA- und Tekken-Reihe. Esad Sadikovic kann als CP-ler den gewöhnlichen Xbox-Controller bedienen, hat jedoch gerade bei Schiessspielen Mühe mit der Koordination. Islam Alijaj hingegen kann zwar grundsätzlich gewöhnliche Controller bedienen, doch je nach Steuerung und Game kommen seine Hände nicht mit der Form des Controllers zurecht.
Heutige Games seien auch viel komplexer als früher, das sei ebenfalls ein grosser Hinderungsgrund für ihn, sagt Alijaj: «Früher war es einfacher, weil die Konsolen einfacher gebaut waren, die Bedienung simpler war. Heutzutage muss man drei, vier Knöpfe aufs Mal drücken für eine Aktion; mit meiner Behinderung kann ich das nicht mehr bewältigen.» Auch seien die Controller glatter geworden, mit der Konsequenz, dass sie sich nicht mehr so gut greifen liessen.
«Inside», «Fifa», «Tekken»: Klappt!
Mit Islam Alijaj und Esad Sadikovic haben wir drei Games ausprobiert: « Inside », das nur drei Inputs benötigt, « Fifa » im einfachen und normalen Bedienmodus und « Tekken 7 ». Drei Games, drei völlig unterschiedliche Spielweisen:
- «Inside» spielten wir im Co-Pilot-Modus, zwei Controller steuern eine Figur. Esad übernahm die Bewegung mit einem gewöhnlichen Controller, Islam die Sprünge und Interaktion auf dem Adaptive Controller.
- «Fifa» spielten Esad und Islam gegeneinander, Esad mit dem gewöhnlichen, Islam mit dem Adaptive Controller.
- «Tekken 7» spielten beide mit zwei gewöhnlichen Controllern, aber im «einfachen» Modus, der nur wenige Knöpfe belegt.
Bei allen drei Games mussten wir mit den Einstellungen, Tastenbelegungen und Gaffer-Tape experimentieren, bis es funktionierte. Islam und Esad waren aber vom Resultat begeistert: «Ich bin positiv überrascht, was wir mit dem Controller erreicht haben. Ich habe nicht gedacht, dass Gaming damit so viel einfacher wird», freut sich Islam. Vor allem in Kombination mit dem «Co-Pilot»-Modus auf der Xbox eröffne das viele Möglichkeiten für CP-ler wie sie: «Zwei Behinderte wie ich und Esad können so zusammen spielen und eine einzelne Figur bedienen.»
Ausbaubares, offenes Design
Der Xbox Adaptive Controller verspricht, Games für alle zugänglicher zu machen, und hält dieses Versprechen auch ein. Er ist einfach erweiterbar und die Bedienung passt sich an die Spielerinnen und Spieler an, nicht umgekehrt, wie es sonst der Fall ist. Für ein Stück Gaming-Hardware ist der Adaptive Controller überraschend offen und benutzt keine Microsoft-eigenen Protokolle oder Anschlüsse. So gut wie alles, das einen Klinkenstecker hat, lässt sich anschliessen.
Damit erschliesst Microsoft ein Kundensegment, das bislang stark von der Game-Industrie vernachlässigt wurde. Das dürfte auch dem Engagement von Microsoft-CEO Satya Nadella zu verdanken sein: Eines seiner Kinder ist ebenfalls mit Cerebralparese geboren, er engagierte sich lange in der firmeninternen Community für Behinderte. Es ist auch ein Kundensegment, für das Games per se ein starke Anziehungskraft haben können, erklärt Alijaj: «Ich kann nicht gut Sport machen oder mich bewegen, aber beim Gamen kann ich mich austoben, bewegen, in Welten eintauchen – und das macht echt Spass, man vergisst die Zeit!»