Seinen Job vergleicht Vincent gerne mit der Jagd: Unauffällig verhalten, alles aus der Ferne beobachten, den richtigen Moment abwarten und dann abdrücken. Im Vergleich zu den Tieren dürfen seine «Opfer» jedoch weiterleben.
Zusammen mit einem Freund führt der gebürtige Franzose seit 13 Jahren eine Videoagentur, die sich auf Berühmtheiten spezialisiert hat. Der Hauptteil seiner Arbeit findet im offiziellen Rahmen – also am roten Teppich oder auf grossen Events – statt. Für gefragte Namen wird er aber zum Paparazzo. In der Hintergrundsendung «Kompass» (oben) berichtet er aus seinem Alltag im Blitzlichtgewitter und erklärt, warum seine Arbeit für ihn moralisch vetretbar ist.
Kein klassischer Paparazzo
Obwohl er nicht immer um Erlaubnis für eine Aufnahme fragt und in die Privatsphäre anderer eindringt, sieht sich Vincent selber nicht als Paparazzo. Der Hauptgrund dafür ist, dass er sich im Vergleich zu anderen Promijägern nicht auf Skandale und Exklusivmeldungen fokussiere. Ausserdem habe er in den 23 Jahren, die er schon im Geschäft ist, noch nie ein Gesetz (wie z.B. das Betreten von Privatgelände) gebrochen und werde das auch in Zukunft nicht tun.
Im öffentlichen Raum sollte meiner Meinung nach jede*r fotografiert und gefilmt werden dürfen - überall und zu jeder Zeit.
Kritik gegenüber seiner Tätigkeit kann Vincent zwar nachvollziehen, findet sie gleichzeitig aber heuchlerisch. Einerseits, weil die Nachfrage nach Celebrity-Storys gross sei und das Leben der Reichen und Schönen nach wie vor interessiere. Andererseits, weil es für ihn der bittersüsse Preis des Ruhmes sei und man als öffentliche Figur einfach damit rechnen müsse, gefilmt und fotografiert zu werden. «C'est la rançon du succès», wie er schulterzuckend meint.
Trotz Smartphones hoch im Kurs
Logischerweise beeinflusse die Omnipräsenz des Smartphones seine Branche – aber nicht, wie man es erwarten würde. Es sei schwieriger geworden, eine schöne Aufnahme ohne Handybildschirme darauf zu bekommen. Rein qualitativ seien die TV-Stationen und Plattformen aber immer noch auf sein Material angewiesen. Denn obwohl heutzutage jede*r eine Kamera im Hosensack habe, würden viele Menschen nicht wissen, wie man richtig damit umgeht. Aus diesem Grund lassen sich die Aufnahmen immer noch an Zweite verkaufen – je nach Reichweite des Mediums für mehr oder weniger Geld.
Wer meint, dass wir Paparazzos die Bösen seien, soll sich einmal die Fans anschauen. Da spielt sich der wahre Wahnsinn ab.
Wie Vincent die Stars und Sternchen findet, ist keine grosse Hexerei. Zu 99% bestehe die Chance, dass sie in einem verifizierten Palace-Hotel übernachten. Kenne man ausserdem die beliebtesten Shopping-Spots und Restaurants, müsse man nur regelmässig dort vorbeischauen. Denn wie auch wir «normalen» Menschen seien die Promis Gewohnheitstiere und würden immer die gleichen Orte besuchen. Zusätzlich seien die Paparazzos gut unter einander vernetzt und tauschen sich aus, oftmals gebe es auch Insider-Tipps von Gastronom*innen und Freund*innen aus der Stadt.
Vom Raubüberfall bis zum missglückten Prank
Egal ob Barack Obama, Anna Wintour, Naomi Campbell oder Brad Pitt – Vincent hatte schon jeden grösseren Namen vor der Linse und zeigt sie beim Spaziergang, Shoppingausflug oder romantischen Dinner. Kein Wunder, denn in all den Jahren ist ziemlich viel Material zusammengekommen.
An zwei von all den Begegnungen mag er sich besonders gut erinnern: Als der amerikanische Reality-Star Kim Kardashian 2016 in einer Pariser Wohnung überfallen und ausgeraubt wird , ist er per Zufall auch in der Stadt und schafft es, exklusiv mit dem einzigen Augenzeugen – dem Concierge des Apartments – zu sprechen. So gehört er für einige Tage zu den wenigen Personen, die wissen, was in dieser Nacht wirklich passiert ist.
Ebenfalls ein surreales Erlebnis ist es, als der ukrainische «Prankster» Vitalii Sediuk dem Supermodel Gigi Hadid einen Streich spielt, der ziemlich nach hinten losgeht . Nach einer Fashion-Show stürmt er auf sie zu und hebt sie ungefragt hoch, sie schlägt schockiert um sich und flucht laut. Bis heute ist diese Szene einer von Vincents lukrativsten Clips und er hat schon rund 40'000 US-Dollar damit verdient. Das höre sich im ersten Moment nach einer Riesensumme an, sei im Vergleich zu seinem Jahresumsatz und dem, was seine Firma zum Überleben brauche, aber ein Tropfen auf dem heissen Stein.
Ist der Beruf des Paparazzos moralisch vertretbar oder nichts anderes als eine Belästigung der Privatsphäre? Diskutiere mit uns via Whatsapp-Sprachnachricht an 079 909 13 33 oder schreibe unten einen Kommentar.