Zum ersten Mal taucht der Begriff «Biohacking» Ende der 1980er-Jahre in dystopischen Science-Fiction-Romanen auf. Damals steht er für dubiose Wissenschaftler*innen, die das Unmögliche möglich machen und in ihren Garagen wilde Experimente durchführen. Mittlerweile sind 40 Jahre vergangen und vieles hat sich geändert. Die Darstellung von «Biohacking» aber nicht: In der kürzlich erschienenen Netflix-Serie «Biohackers» sind es immer noch ominöse Forscher*innen, die Tiere zum Leuchten bringen und verbotene Genversuche machen.
Doch was ist «Biohacking» eigentlich genau? Wie viel hat die Darstellung in Filmen und Büchern mit der Realität zu tun? Und müssen wir uns Sorgen darum machen? In der Hintergrundsendung «Kompass» (oben) besucht Host und Produzent Jan Gross einen Biohacker in seinem Labor und klärt mit dem Bundesamt für Umwelt, was erlaubt ist und was nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei «Biohacking» (auch DIY-Biologie) handelt es sich um eine Bewegung von Hobby-Biolog*innen, die ausserhalb von Universitäten und Institutionen stattfindet. Im Zentrum steht die unabhängige, private Forschung in provisorisch eingerichteten Laboren mit selbstgebauten Geräten. Seinen Ursprung hat «Biohacking» im amerikanischen Cambridge. Richtig aufgekommen ist es Mitte der 2000er-Jahre.
- «Hacking» beschreibt die innovative und neue Anwendung von bestehenden Technologien (z.B. ein Toaster, der zu einer Kaffeemaschine umfunktioniert wird). «Bio» steht für Biologie und umfasst die drei Teilbereiche Laborexperimente, Bodyhacking (Optimierung des eigenen Körpers) und Genkunst.
- Neben der Forschung spielt der Aspekt des Selbermachens (z.B. von Laboreinrichtungen und -geräten) sowie das Teilen und Verbreiten des Wissens («Open Source») eine wichtige Rolle.
- Die Schweizer Szene ist zwar klein, im globalen Kontext aber nicht unbedeutend: Insgesamt wird sie auf zehn Labore und 50 bis 100 Biohacker*innen (exkl. Bodyhacking) geschätzt.
Auf dem Radar des FBI
Wenn es um Biohacking geht, führt in der Schweiz kein Weg an Marc Dusseiller vorbei. Der gebürtige Schaffhauser widmet sich seit über einem Jahrzehnt der unabhängigen, transdisziplinären Forschung und hat in deren Namen schon verschiedene Länder wie Japan oder Indien bereist.
Mit «Hackteria» hat er 2009 eine Online-Plattform ins Leben gerufen, auf der sich DIY-Biolog*innen aus aller Welt austauschen und ihre Erfahrungen (z.B. Anleitungen für Geräte oder Versuchsergebnisse) teilen. Daneben gibt er Workshops und teilt sein Wissen, unter anderem als Dozent an der ETH Zürich. 2011 wird der 45-Jährige sogar vom FBI kontaktiert, da man sich mit ihm über Ethik und Sicherheit austauschen möchte. Eine Einladung, die er aufgrund fehlender Zeit ablehnt.
Sogar die Produktion von Wein oder Sauerteig ist ‹Biohacking›, sofern man sich kritisch damit auseinandersetzt und nicht einfach ein Rezept nachköchelt.
Für ihn ist die momentane Aufregung rund um «Biohacking» zwar verständlich, gleichzeitig aber auch leicht übertrieben – denn wirklich neu seien diese Technologien nicht: Leuchtende Hasen hat es schon im Jahr 2000 gegeben (als Projekt des brasilianischen Künstlers Eduardo Kac ), Genmanipulationen gehören seit langem zu den Standardprozeduren. Er selbst hat in seinem Labor – die «Bitwäscherei» in Zürich – schon mit Kombucha-Kulturen geforscht oder ein Bakterium so manipuliert, dass es einen Geruch produziert, der nach frischem Regen duftet.
Keine Gefahr oder Risiken
Auch das Bundesamt für Umwelt befasst sich schon seit längerem mit «Biohacking» und steht in Kontakt mit verschiedenen Forscher*innen. Dabei handelt es sich weder um eine Überwachung noch um eine Zusammenarbeit. Das Ziel sei einzig und alleine die Gewährleistung der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt, meint Basil Gerber, stellvertretender Leiter der Sektion Biotechnologie.
Grundsätzlich sei in der Forschung nichts verboten. Sobald mit Gentechnik gearbeitet wird, muss dies jedoch gemeldet werden. Ausserdem braucht es ab einer gewissen Gefahrenstufe eine Erlaubnis und die Sicherheitsmassnahmen müssen stets gewährleistet werden.
Ich bin mir sicher, dass wir nicht über jedes Experiment Bescheid wissen. Trotzdem haben wir die Situation unter Kontrolle und müssen uns keine Sorgen um ‹Biohacking› machen.
Sorgen um gezüchtete Viren oder bösartige Experimente müsse man sich in der Schweiz keine machen. Einerseits sei es weitaus komplizierter als gedacht, etwas Gefährliches zu produzieren, andererseits bringe sich die forschende Person in erster Linie selber in Gefahr. Ausserdem sei bei den gemeldeten Experimenten absolut nichts Bedenkliches dabei: Bei einem Grossteil davon handelt es sich um die Herstellung von Käse und Bier, dazu kommen klassische Schulversuche aus der Molekularbiologie und vereinzelte Kunstprojekte mit Moosflechten.
Wegweisend für die Zukunft?
Trotzdem könnte «Biohacking» spannend für die Zukunft werden und neue Zugänge zu bestehenden Technologien aufzeigen. Das findet auch DIY-Biologe Marc Dusseiller. Seiner Meinung nach werden die wichtigsten Veränderungen im 21. Jahrhundert biotechnologisch ausfallen und den Menschen wie auch die Natur nachhaltig prägen. Daher hofft er, dass sich Biohacking noch weiter verbreiten und mehr Leute begeistern wird.
Ein bisschen kritischer sieht das Basil Gerber vom Bundesamt für Umwelt. Er kann sich nicht so recht vorstellen, dass Biohacker*innen die Zeit und den Biss haben, um in ihren Laboren wirklich etwas Neues zu entwickeln. Ganz ausschliessen möchte er es aber trotzdem nicht – denn auch bei Bill Gates hätte vor 50 Jahren niemand gedacht, dass er in seiner Garage einen Computer entwickelt, der eine regelrechte Revolution auslöst.
Glaubst du, dass «Biohacking» in Zukunft noch mehr zum Thema wird und tatsächlich weiterhelfen kann? Oder bleibt es ein nischiges Hobby für kreative Nerds? Verrate es uns via Sprachmemo an 079 909 13 33 oder diskutiere mit im Kommentarfeld .