Zum Inhalt springen

Kompass Chillen und chli studieren? Wir räumen auf mit diesem Vorurteil

Von wegen «Hotel Mama» und «Papa kann zahlen»: Drei Viertel der Studentinnen und Studenten in der Schweiz krampfen sich einen ab, um auf eigenen Beinen zu stehen. Gabriel Crucitti (23) und Miriam Kuoni (21) erzählen, wie sie Uni und Job unter einen Hut kriegen - oder manchmal eben auch nicht.

In Gabriel steckt so viel Energie wie in einem Sixpack des Getränks mit dem Stier drauf. Der 23-Jährige macht an der pädagogischen Hochschule in Chur seine Ausbildung zum Primarlehrer. Während seinem Studium hat er immer gearbeitet, weil er sich seine Ausbildung selber finanzieren will. Darum gibt er «nebenbei» Vollgas und hat immer was mit Medien gemacht. Aktuell als Moderator bei Radio Südostschweiz . Bei seinen Jobs ist ihm die Abwechslung wichtig:

Wenn ich mich während dem Studium ständig mit pädagogischen Dingen beschäftige - was ich ja gerne mache - dann will ich nicht auch noch im Nebenjob Babysitten oder an den Wochenenden eine Waldspielgrupppe leiten. Darum bin ich dem Medienjob treu geblieben.

Wer neben dem Studium arbeiten will, braucht Zeit. Darum macht Gabriel sein Studium in fünf Jahren. Würde er sich nur aufs Studium konzentrieren, könnte er seinen Abschluss in drei Jahren machen.

Der Job beim Radio mache auch Sinn fürs Studium - und umgekehrt: Stichwort Auftrittskompetenz. Wenn er Sendungen moderiert, dann steht er vor einem (unsichtbaren) Publikum. Als Lehrer muss er auch vor Leuten stehen: seiner Klasse, oder den Eltern seiner Schüler.

Wer unter der Woche studiert und am Wochenende vor dem Mikrofon steht, hat verdammt viel zu tun.

Aber weder habe das Studium durch seinen Nebenjob gelitten, noch umgekehrt. Dafür sein Sozialleben.

Zurückstecken musste ich bei mir selber. Ich kenne kein Duracell-Häschen, das Arbeit, Studium und Sozialleben aufrecht erhalten kann.

Jetzt, im letzten Semester, macht er aber Schluss mit studieren und arbeiten. Er möchte mehr Zeit für sich, hat seinen Job auf Ende Monat gekündigt - und ist wieder daheim eingezogen:.

Ich will an der Hochschule nicht mehr denken: Hui, was mache ich am Wochenende in der Radiosendung? Und im Radio nicht mehr an die Arbeit denken, die ich fürs Studium schreiben muss.

Miriam schmeisst neben dem Studium nicht nur einen, sondern gleich zwei Jobs. Die 21-Jährige lebt in Basel in einer WG, studiert Deutsch und Geschichte und arbeitet zu 30 Prozent in einem Büro in Liestal und zu 20 Prozent im Kantonsspital Baselland, wo sie auch Büroarbeiten übernimmt. 100 % Studium + 50 % Arbeit = 150 % beschäftigt. Aber das nimmt sie gerne in Kauf:

Ich wollte von zu Hause ausziehen, das braucht Geld. Und ich wollte selbständig sein und nicht ständig hören, dass ich Geld für «blöden Scheiss» ausgebe.

Das Geld reicht so knapp: Wenn sie Miete, Krankenkasse und Co. bezahlt habe, bleibe am Ende so viel übrig, dass sie sich nicht von Wasser und Brot ernähren müsse. Aber viel liege halt auch nicht drin.

Studium und Job unter einen Hut zu bringen, findet sie nicht einfach. Das Lernen leide manchmal. Sie besucht nicht alle Vorlesungen und Ende Semester stehen Nacht- und Wochenendschichten an.

Es sei nicht einfach, an «sinnvolle» Jobs zu kommen, bei der sie für einen Beruf Erfahrung sammeln könnte: Assistenzstellen an der Uni, was sie sehr interessieren würde, seien knapp. In einer Schule als Lehrerin auszuhelfen sei auch schwierig. Während dem Semester geht das wegen dem Studium nicht und in den Sommerferien geht es nicht, weil die Schule zu ist.

Miriam hat Freude an ihren Jobs, auch wenn sie im Hinblick auf ihr Deutsch- und Geschichtsstudium nicht unbedingt praktische Erfahrung sammeln kann.

Meine Jobs machen für mich Sinn, ich verdiene ja Geld und die Arbeit ist spannend.

Meistgelesene Artikel