Kennengelernt haben wir uns via Instagram. Die Bilder von Lukas’ Reise faszinieren und lösen Fernweh aus. Statt mit Flugzeug, Bus oder Auto, reist er durch seine eigene Kraft einmal quer durch Afrika. Er hat bestimmt einiges zu erzählen, denke ich mir, und frage ihn für ein Interview an.
«Stirb, weisser Mann!»
Der Beginn der Reise hat aber wenig mit der schönen heilen Filterwelt auf Instagram zu tun. Von gammligem Antilopenfleisch wird er so krank, dass er auf der Strasse zusammenbricht. Netterweise wird er von hilfsbereiten Leuten aufgegabelt, die ihn und sein Velo mit dem Fahrzeug in die nächste Ortschaft bringen, wo er sich die nächsten Tage in einem Hotel erholt. Im Vergleich zu seinen anderen Erlebnissen klingt das aber fast schon harmlos.
Mir hat einer ins Gesicht gesagt, dass ich die Reise nicht überleben werde.
«In Kamerun und kurz vor Nigeria hatte ich extrem Angst. Man hat versucht, in mein Hotel einzubrechen. Mir hat einer ins Gesicht gesagt, dass ich die Reise nicht überleben werde. Man hat mir von der Strecke durch den Dschungel abgeraten, weil ich von mit Macheten bewaffneten Männern überfallen werden könnte», erzählt Lukas. Er habe auch Rassismus erlebt: «Stirb, weisser Mann, hat mir einer gesagt.»
Natürlich habe er sich vor seiner Reise informiert, sagt Lukas. Aber er wollte sich vor Ort ein Bild machen. Mit den Einheimischen sprechen und situativ entscheiden. Eine dieser Entscheidungen war, Nigeria zu mit dem Flugzeug zu Überfliegen. Zu riskant, etwa die Gefahr, der Terrormiliz Boko Haram in die Hände zu fallen.
Gastfreundschaft und Voodoo-Zauber
Lukas hat aber auch ganz andere Momente erlebt: «Ganz eindrücklich war die Erfahrung mit der Voodoo-Religion. Ich dufte bei sehr intimen, familiären Ritualen dabei sein. Das war wunderschön, ein unbezahlbares Erlebnis.»
Lukas hat eine Familie kennengelernt, deren Vorfahren er über die Zukunft befragen durfte. Die verstorbenen Ahnen als Orakel.
Um sie zu befragen, hat Lukas erst ein Ritual bestehen müssen, bei dem sich herausstellen sollte, ob sein Herz rein genug sei für die Ahnenbefragung:
Irgendwann kommst du in Trance und schwitzt dir die Seele aus dem Leib.
«Das haben wir mit einem rituellen Tanz gemacht im Dschungel von Benin. Es wurde getrommelt und gesungen. Im Kreis dieser Musiker habe ich mit den obersten Mitgliedern dieser Familie in traditionellem Kleidern getanzt.
Wir haben etwa vier Stunden getanzt. Es war sehr emotional. Man schaut sich an und tanzt Schulter an Schulter. Es waren Rhythmen und Bewegungen, die ich als Westler gar nicht kannte. Irgendwann kommst du in Trance und schwitzt dir die Seele aus dem Leib. So erkennen sie, ob du ein reines Herz hast, während man sich anlacht und tanzt.»
Lukas’ Herz stellt sich als rein heraus und er darf die Ahnen befragen: «Wir haben Kolanüsse in die Luft geworfen. Je nachdem, wie sie fallen, bedeutet es ja oder nein. Erst haben wir ganz simple Fragen gestellt, wie etwa, ob ich in der linken Hand eine Wasserflasche halte. Die Antwort war immer richtig, ich konnte es kaum glauben!»
10’000 km in drei Monaten
Mittlerweile ist Lukas in Ghana. Während ich ihm zuhöre, bekomme ich den Eindruck, dass da jemand nach den Strapazen am Anfang angekommen ist. Angekommen auf der Reise seines Lebens.
Erfahrung mit so langen Veloreisen hat Lukas bereits gemacht. Er sei anderthalb Jahre mit dem Velo unterwegs gewesen. Mit dem Velo von Basel nach China, dann zurück nach Indien und später nach Australien habe ihn die Reise geführt, erzählt Lukas. «Darum sind meine Freunde und Verwandten gewohnt, dass ich spinne», antwortet Lukas lachend, als ich ihn frage, ob seine Liebsten nicht auch manchmal etwas Angst um ihn haben.
Als nächste Etappe steht die Elfenbeinküste auf dem Programm. Dann geht es Kilometer für Kilometer weiter bis nach Marokko, wo er dann die Fähre nach Europa nimmt und zurück in die Schweiz reist. Alles in allem sind es gute 10’000 Kilometer, die er in drei Monaten zurücklegt.
Na dann, gute Reise!