Ungesund verdrehte Körper, wirre Blicke und schmerzerfülltes Geschrei – etwa so läuft die Austreibung eines Dämons ab, wenn es nach Hollywood geht. Die Realität sieht jedoch anders aus: Viel häufiger als der klassische Exorzismus wird heute der sogenannte christliche Befreiungsdienst angeboten. Eine Seelsorgerin, die solche Austreibungen durchführt und ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie geben Auskunft.
Das musst du wissen
- In der Bibel wird ein Dämon als gefallener Engel und Handlanger des Teufels beschrieben. Der Glaube daran existiert nicht nur im Christentum, sondern auf der ganzen Welt: Im Arabischen spricht man vom «Majnun», im islamischen Raum vom «Dschinn».
- Typische Symptome für die dämonische Besessenheit seien Gotteslästerung, die Abneigung gegen Religiöses, das Ertönen von fremden Stimmen und Tiergeräuschen, übersinnliches Wissen oder übernatürliche Kräfte.
- Im Vergleich zum Exorzismus, der nur von speziell ausgebildeten Priestern durchgeführt werden darf, wird der christliche Befreiungsdienst privat von Seelsorger*innen durchgeführt.
Befreiungsdienst – wie funktioniert's?
Sabine Amrhein bietet schon seit zwei Jahren Dämonenaustreibungen in ihrer Praxis an. Bei der Berufsbezeichnung «Exorzistin» schüttelt sie den Kopf, da sie sich viel mehr als christliche Seelsorgerin sieht. Zwar werde beim Exorzismus und Befreiungsdienst dasselbe Ziel (die Vertreibung böser Geisteswesen) verfolgt, aber die Herangehensweise sei komplett unterschiedlich. Während beim Exorzismus mit streng geregelten Schemen und dem «Rituale romanum» gearbeitet wird, gliedert sich der Befreiungsdienst folgendermassen:
- Im Vorgespräch wird die persönliche Geschichte der betroffenen Person angehört und bestimmt, ob und welche Art von Besetzung vorliegt.
- Sämtliche Baustellen und Problemstellungen aus dem eigenen Leben müssen aufgearbeitet und verarbeitet werden. Zusätzlich muss man sich von sämtlichen okkulten Verbindungen und Verstrickungen lösen und sich davon lossprechen.
- Als Nächstes folgt die Lebensübergabe an Jesus Christus in Form eines Gebetes, mit dem Vorsatz, sein Leben in Zukunft auf ihn auszurichten.
- Im Anschluss wird der Dämon durch den/die Seelsorger*in direkt angesprochen und es wird ihm der Befehl zum Verlassen des Körpers erteilt.
- Bei Nichterfolg wird untersucht, warum der Dämon nach wie vor da ist und der Prozess wiederholt . Ansonsten klingen die Symptome ab und der Dämon verschwindet. Zur Sicherheit wird alles nachbeobachtet .
Eine Kinderstube voller Geister
Doch wie kommt man dazu, seinen Berufsalltag bösen Geistern zu widmen? Bei Sabine Amrhein genügt ein Blick in die Kindheit und Jugend: Sie wächst bei ihrer hellsichtigen Grossmutter auf, die mit Geistern kommunizieren kann, wohnt in einem Spukhaus, macht zwei nahtodartige Erfahrungen und wird selbst vom Bösen besetzt.
Was ich erlebt habe, kann man nicht rational erklären. Aus diesem Grund habe ich es auch nie versucht.
Für sie Grund genug, um sich intensiver mit dem Leben nach dem Tod und allem dazwischen zu befassen. Sie bildet sich mit Fachliteratur weiter und besucht eine Schulung. Nach der Aufarbeitung ihrer Lebensthemen und mehreren Befreiungsversuchen wird sie schliesslich selbst frei von ihrer Besetzung. In dieser Zeit (und auch heute noch) gibt es vor allem eine Person, die sie begleitet: Jesus Christus, ihr bester Freund und Mittelpunkt des Lebens.
Psychisch krank oder besessen?
Schon seit Längerem stehen Dämonenaustreibungen in der Kritik, psychische Krankheiten zu vereiteln und nicht die Hilfe zu bieten, die es braucht. Samuel Pfeifer , Facharzt und Professor für Psychiatrie und Psychotherapie, teilt diese Ansicht. Allerdings ein bisschen differenzierter: Als Sohn eines Pfarrers schlagen in seiner Brust zwei Herzen. Eins für Religion, das andere für Wissenschaft.
Laut ihm liege das Hauptproblem des Befreiungsdienstes darin, dass viel mehr eingeschüchtert als geholfen werde. Im schlimmsten Fall können sich die Ängste durch die einseitige Fixierung auf das Böse gar verstärken. Ausserdem seien längerfristige Schäden möglich, wenn bei einer schweren psychischen Störung zu spät eingegriffen wird.
Der Mensch sehnt sich fast schon nach dem Übernatürlichem, da ihm die Wissenschaft oftmals nicht weiterhelfen kann.
Verbieten würde er den Befreiungsdienst trotzdem nicht. Denn trotz seiner kritischen Haltung findet er, dass jeder Mensch das Angebot nutzen sollte, das ihm persönlich weiterhelfe. Sabine Amrhein sieht das ähnlich und ist ebenfalls offen für Klienten mit schulmedizinischen und christlichen Doppelbehandlungen. Einzige Bedingung: Respekt und Wertschätzung für beide Seiten. Denn wenn gegeneinander statt miteinander gearbeitet wird, könne es gefährlich werden.
Glaubst du an Dämonen? Was sagst du zum christlichen Befreiungsdienst? Teile deine Meinung via Whatsapp-Sprachnachricht auf 079 909 13 33 oder schreibe einen Kommentar.