Philippe Wampfler ist Lehrer und braucht selber regelmässig Tutorials. Etwa, wenn es ums Kochen oder Gamen geht. Er gehört zu den Lehrern, die sich im Internet genau so zuhause fühlen, wie im Klassenzimmer.
Wampfler unterrichtet an der Kantonsschule Wettingen Deutsch, Philosophie und Medienkunde. Auch im Unterricht braucht er immer wieder Tutorials. Etwa die Playmobilvideos von Sommers Weltliteratur to go .
«Meine Schülerinnen und Schüler arbeiten alle mit Tutorials», sagt Wampfler, «vor allem in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern, hauptsächlich zur Prüfungsvorbereitung.»
Meine Schülerinnen und Schüler arbeiten alle mit Tutorials.
Was kann ein Tutorial, was ein Lehrer nicht kann?
Nadine Nikles aus der Virus-Redaktion hat während dem Studium viel mit Tutorials gelernt. «Ich habe Publizistik studiert und im Nebenfach Wirtschaft gemacht», sagt Nadine.
Im Hauptfach habe sie wenig mit Mathematik zu tun gehabt, in Wirtschaft aber schon, sagt Nadine: «Wenn du nicht im Matheuniversum daheim bist, ist es sehr schwierig, dir die Ableitungen und Formeln anzueignen. Da hat mir YouTube sehr geholfen, weil es viele Anleitungen gibt und die Leute dir Schritt für Schritt alles vorrechnen.»
Mir hat YouTube sehr geholfen, weil es viele Anleitungen gibt und die Leute dir Schritt für Schritt alles vorrechnen.
Tutorials vermitteln Wissen auf eine sehr ursprüngliche Art
Die Art und Weise, wie Tutorials Wissen vermitteln, sei so alt wie die Menschheit selbst: «Ein Mensch zeigt einem anderen, wie etwas funktioniert», sagt Guido Berger aus der SRF Digitalredaktion.
«Bevor es die Schrift und Sachen wie TV, Radio und Bücher gab, war das die einzige Art, Wissen weiterzugeben», erklärt Guido Berger. «Man ging zu jemandem, der etwas wusste und die Person hat es dann einem gezeigt oder erklärt», fährt er fort. Tutorials seien nichts anderes.
Bevor es die Schrift und Sachen wie TV, Radio und Bücher gab, war das die einzige Art, Wissen weiterzugeben. Man ging zu jemandem, der etwas wusste und diese Person hat es dann einem gezeigt oder erklärt.
Die Lehrer der Zukunft stehen auch vor der Kamera
Viele der YouTuber, die ihr Wissen in Tutorials weitergeben, sind selber auch Lehrer. Mit YouTubern, die Wissen vermitteln, sei es gleich, wie mit Lehrern in der Schule, findet Nadine Nikles:
«Welche Fächer mochten wir gerne? Es kam nicht nur auf das Fach an, sondern auch auf die Lehrer. Ist der Lehrer begeistert, kann er auch dich begeistern. Ist er eine Schnarchnase, wird es schwierig.»
Ist der Lehrer begeistert, kann er auch dich begeistern. Ist er eine Schnarchnase, wird es schwierig.
Online-Tutorials schauen, um das Gelernte besser zu verstehen oder um sich auf eine Prüfung vorzubereiten, sind das eine. Einen Schritt weiter gehen die sogenannten MOOCs, Massive Open Online Courses. Interessierte können sich hier online weiterbilden. Auch auf Uni-Niveau, oft erst noch kostenlos.
Wissen für alle für kein Geld. Das wird die Schulen und Unis radikal verändern. Die Lehrer der Zukunft stehen wohl nicht nur vor einer Klasse, sondern müssen auch vor einer Kamera funktionieren, meint Lehrer Philippe Wampfler.
Wird der Lehrer im Klassenzimmer überflüssig?
Theoretisch kann ein YouTuber oder eine YouTuberin mit einem Video Millionen von Schülern erreichen, statt 20 Schüler in einer Klasse. Fühlt man sich das als Lehrer überflüssig?
«Natürlich gibt es viele Lehrerinnen und Lehrer, die davor Angst haben», sagt Wampfler. «Sie merken, dass sich das Verständnis ihres Berufes verändert, dass es plötzlich junge Leute gibt, die das Wissen auf eine unterhaltsamere Art präsentieren», ergänzt er.
Er selber fühle sich von seiner pädagogischen Überzeugung her nicht unter Druck: «Wissen vermitteln, vor eine Klasse stehen und erzählen, das sind nicht die einzigen Stärken, die Lehrer haben müssen.»
Das Internet lasse ihm den Raum, sich als Pädagoge auf das Wesentliche zu konzentrieren: «Wissen in die Köpfe zu bringen passiert auf Youtube überzeugender.»
Das Klassenzimmer wird sich verändern, aber nicht verschwinden
Es lasse sich aber nicht alles auf YouTube in 5 Minuten-Blöcken erzählen, findet Wampfler: «Wie baut man Vertrauen auf? Wie kann ich länger an etwas dran bleiben? Wie lese ich einen Roman, statt nur das Video dazu anzuschauen? Das alles scheint mir sehr wichtig und lässt sich nicht an YouTube delegieren.»
Wie baut man Vertrauen auf? Wie kann ich länger an etwas dran bleiben? Das alles scheint mir sehr wichtig und lässt sich nicht an YouTube delegieren.
Heute Lehrer, morgen Coach
Wie wird sein Beruf in 20 Jahren wohl aussehen? Es ist vielfach die Rede vom Lehrer als Coach, vermutlich werde sich sein Beruf in diese Richtung verändern, meint Philippe Wampfler. Motivation oder die sozialen Aspekte des Lernens könnten nicht übers Netz vermittelt werden, sagt Wampfler.
«Die reine Informationsaufnahme wird über das Netz Iaufen. Dafür braucht es uns Lehrer nicht mehr. Schülerinnen und Schüler werden weniger in die Schule kommen, als es heute der Fall ist», glaubt Wampfler.
In der Schule liege dann der Fokus auf Diskussionen und individueller Beratung und weniger auf der Bearbeitung von Inhalten.