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Kompass Social Media Influencer: Wie echt ist ihre Reichweite wirklich?

Das grosse Ziel für Influencer ist die 100.000 Abonnenten-Marke. Diese Grössenordnung ist für viele aber nur mit Tricks zu erreichen. Fake-Followers sind ein Beispiel dafür, ‹Bots› ein anderes. Ist der angebliche Erfolg eines Influencers also mehr Schein als Sein? Wir analysieren den Status Quo.

Was früher Coco Chanel für die Modeszene oder die Beatles für die Musikwelt waren, sind heute Menschen wie du und ich auf Social Media: sogenannte «Influencer». Menschen, die im Netz klar aus der Masse hervorstechen.

Das kann Peter von der Poststelle, Giselle die Germanistikstudentin, oder auch Lisa die Primarlehrerin sein. Wenn sie auf ihren Social-Media-Kanälen Produkte vorstellen, erreichen und beeinflussen sie damit gerne ein Millionenpublikum.

Der Markt boomt auch für Werbetreibende

Bei Kleider- und Beautymarken ist Influencer-Marketing hoch im Kurs.
Legende: Bei Kleider- und Beautymarken ist Influencer-Marketing hoch im Kurs. Vreni Frost

Eine hohe Reichweite ist heutzutage aber längst nicht mehr nur für den persönlichen Erfolg interessant, sondern spielt auch Werbetreibenden in die Hände: «Unternehmen generieren laut einer aktuellen Studie rund 2,6 Mal mehr Verkäufe, als wenn die Marke denselben Beitrag auf ihrem eigenen Kanal posten würde», erklärt Fabian Plüss, Inhaber der Influencer-Agentur «Kingfluencer».

Werbung über Instagram sei für Werbende mittlerweile sogar lukrativer als herkömmliche Spots im Fernsehen oder Anzeigen in einem Heft. Die Unternehmen investieren weniger Geld und erreichen erst noch mehr Leute. Das Beste daran: die Influencer stärken bei ihren Followern das Vertrauen in eine Marke und fungieren als wichtige Brücke zur «Generation Internet».

Das lässt sich die Werbebranche je nach Influencer auch gerne mal etwas «mehr» kosten: Mit mehreren Millionen Abonnenten können Influencer in Amerika mit einem einzigen Post bereits rund 100’000 Dollar verdienen.

Schweizer Influencer verdienen pro Post zwischen 500 und 5000 Franken.
Autor: Simon Künzler Mitinhaber der Online-Marketing-Agentur Xeit

In der Schweiz sind diese Beträge noch deutlich tiefer. Hier verdient ein Influencer pro Post zwischen 500 und 5000 Franken, schätzt Simon Künzler, Mitinhaber der Online Marketing Agenur «Xeit». Und trotzdem: immer mehr Jugendliche wollen Influencer werden.

Bei der Reichweite wird extrem getrickst

«Bei Followern, unzähligen Likes und sogar Kommentaren wird getrickst, was das Zeug hält», sagt Vreni Frost. Sie gibt als erste deutsche Bloggerin öffentlich zu, mit sogenannten ‹Bots› Instagram-Follower gekauft zu haben.

Ich habe mit einer Agentur zusammengearbeitet, die meine Followerzahl auf Instagram mit Hilfe von Bots, einem automatisierten Computerprogramm, wachsen liess.
Autor: Vreni Frost Bloggerin
Auch Vreni Frost hat bei der Zahl ihrer Follower nachgeholfen.
Legende: Schöne Kleider, schönere Zahlen Auch Vreni Frost hat bei der Zahl ihrer Follower nachgeholfen. Vreni Frost

«Ich habe mit einer Agentur zusammengearbeitet, die meine Followerzahl auf Instagram mit Hilfe von Bots, also einem automatisierten Computerprogramm, wachsen liess. Hierfür habe ich einer Agentur fünf Accounts, die ich besonders mag, angegeben. Die Agentur hat dann für mich analysiert, wer ihre Follower sind.

Ein von der Agentur installierte Bot folgte schliesslich diesen Followern mit meinem Account für 72 Stunden und entfolgte ihnen danach wieder. Das hatte zur Folge, dass mir in kürzester Zeit viele echte Instagrammer zurück folgten», erklärt die ehemalige Mode-Redakeurin Vreni Frost das Bot-Prinzip.

In den letzten eineinhalb Jahren hat sie auf diesem Weg über 20’000 Follower gewonnen.

Solche Tricksereien seien in diesem Business an der Tagesordnung. Laut Fabian Plüss könne man diese Schummelei zwar mittlerweile mit einfachen Tools nachweisen, nur interessiere das niemanden, erzählt Vreni Frost: «Marken sind oft nur an deiner Reichweite interessiert. Da ist es ihnen egal, ob sie diese echt ist, oder nicht.»

Ein Bot kann alles

Neben automatisch generierten «Gefällt mir»-Angaben, können Bots auch vorgefertigte Kommentare eingegeben, die unter Fotos mit gewünschten Hashtags gepostet werden. «Das ist natürlich schon ein Gedanke wert. Gerade wenn man bedenkt, dass ein Instagram-Foto in der ersten Stunde gut performen (viele Likes und Kommentare) muss, damit es von Instagram als wichtig eingestuft wird», erklärt Vreni Frost weiter.

Aus diesem Grund gibt es mittlerweile auch sogenannte «Instagram-Gruppen». Wer dort Teilnehmer ist, muss jedes Mal kommentieren und liken, wenn immer ein Mitglied ein neues Foto postet. Instagram-Gruppen werden im Gegensatz zu Bots aber von Instagram nicht verboten.

Der Bot macht was er will

Im Fall von Vreni Frost wurde der Bot zu einem ernsthaften Problem. Sie musste nämlich feststellen, dass dieser mit ihrem Instagram-Profil vermehrt gewaltverherrlichende und sexistische Bilder herzte. Schliesslich musste sie, um sich selber im Spiegel noch gegenüberstehen zu können, die Zusammenarbeit mit der Bot-Agentur wieder stoppen.

Gebracht hat ihr die Aktion nicht viel. Im Gegenteil: sie verlor nicht nur viel Geld, sondern verbrachte auch vier Tage am Stück damit, 10’000 Fake-Follower von Hand zu reduzieren. Und das Ende ist noch nicht in Sicht.

#neverevernotreal: «ehrliche» Follower gesucht

Bloggerin Vreni Frost
Legende: Vreni Frost will andere Influencer ermuntern, ebenfalls auf Fake-Follower zu verzichten. Vreni Frost neverever.me

Vreni Frost sieht diese Erfahrung als Lehrgeld. Nie wieder wird sie mit irgendwelchen Mitteln versuchen, ihre Reichweite künstlich in die Höhe zu treiben. Heute möchte Vreni nicht mehr so viele Follower wie möglich, sondern lieber saubere, ehrliche Statistiken auf allen Kanälen.

Als Zeichen dafür ruft sie den Hashtag #neverevernotreal ins Leben. Damit will sie nicht nur auf die Thematik aufmerksam machen. Vreni Frost hofft vor allem, dass auch andere Blogger und Influencer auf Bots verzichten oder ihre Accounts von Fake-Followern bereinigen.

Firmen sollen merken, dass Influencer mit einer kleineren Reichweite genauso interessant für Marken sein können. «Denn was bringt es im Endeffekt, wenn Firmen viel Geld in grosse Accounts stecken, denen jede Glaubwürdigkeit abhanden geraten ist – und deren Fans sich für die beworbenen Produkte letztlich nicht interessieren», fragt Vreni.

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