Zum Inhalt springen

Header

Audio
Ein Gruss aus der Geisterküche
Aus Junge Popkultur, urbanes Leben vom 22.06.2020. Bild: Unsplash
abspielen. Laufzeit 24 Minuten 46 Sekunden.
Inhalt

Kompass Ein Gruss aus der Geisterküche

Pizza, Nudelsuppe oder auch Salat – Lieferdienste sind momentan so gefragt wie schon lange nicht mehr. Doch würdest du dein Essen auch aus einem Restaurant bestellen, das es gar nicht gibt? Was verwirrend klingt, ist für viele das Gastro-Modell der Zukunft.

Appetitliche Bilder von asiatischen Curries, Informationen zu den einzelnen Gerichten und natürlich ein Button zum Bestellen. Auf den ersten Blick sieht die Website von «Kinky Kurry» aus wie die von vielen anderen Restaurants auch. Doch das Zürcher Lokal unterscheidet sich in einer Sache deutlich von seiner Konkurrenz: Es hat als schweizweit erstes Restaurant nur digital existiert. Delivery only – vor Ort essen oder abholen gibt es nicht.

In Metropolen wie Paris oder London sind solche «Ghost Kitchens» seit Jahren hoch im Kurs und Fachleute prophezeien, dass es sich um das Gastro-Modell der Zukunft handeln könnte. Bei «Kinky Kurry» war jedoch bereits nach vier Monaten wieder Schluss mit dem Experiment. Doch warum kommt das Konzept im Ausland an und bei uns nicht? Und was hat es damit auf sich?

Das Wichtigste in Kürze

  • Ghost Kitchen, Dark Kitchen, Cloud Kitchen oder Virtual Kitchen – das Gastro-Modell trägt viele Namen. Woher es kommt, ist unklar, doch Expert*innen tippen auf einen Ursprung im amerikanischen Silicon Valley.
  • Alles, was es für eine Ghost Kitchen braucht, ist eine Küche an zentraler Lage, ein eigener oder externer Lieferdienst, ein solider Online-Auftritt und ein spannendes Food-Angebot.
  • Für Gastronom*innen ist dieses Konzept reizvoll, da aufgrund des fehlenden Gastraums weniger Personal und Platz benötigt wird, was zu deutlich tieferen Kosten führt. Ausserdem können Foodtrends schneller untersucht werden, ohne dass gleich ein ganzes Restaurant gebaut werden muss.

Trend noch nicht gespürt

Yannick Gutierrez, einer der beiden Gründer von «Kinky Kurry», hat verschiedene Erklärungen, weshalb es mit seiner Geisterküche nicht geklappt hat. Einerseits sei es schwierig, das Vertrauen von Herr und Frau Schweizer in eine Marke zu gewinnen, die nur virtuell existiert. Andererseits mache es preislich gesehen keinen grossen Unterschied, ob man das Essen nach Hause bestellt oder im Restaurant geniesst, weshalb sich viele für das Gesamterlebnis vor Ort entscheiden würden. Rückblickend meint er ausserdem, dass er von Anfang an mutiger kommuniziert hätte, da viele Leute bis zum Schluss nicht gewusst haben, dass es «Kinky Kurry» überhaupt gegeben hat.

Wir wollten testen, ob Ghost Kitchens bei uns Potenzial haben. Leider haben wir den Trend noch nicht gespürt und das Projekt daher auf Eis gelegt.
Autor: Yannick Gutierrez Mitbegründer von «Kinky Kurry»

Trotzdem gibt es in der Schweiz ein paar wenige Beispiele dafür, dass Ghost Kitchens funktionieren können. Besonders die Familie Wiesner Gastronomie AG (Negishi, Nooch, The Butcher, Outback Lodge) macht schon vermehrt Gebrauch davon, um näher bei ihrer Kundschaft zu sein. Einziger Unterschied: Im Vergleich zu «Kinky Kurry» handelt es sich um eine Ergänzung zu bestehenden Restaurants und nicht um ein rein virtuelles Konzept.

Gastro-Modell der Zukunft?

Andrin Willi

Andrin Willi

Genuss- und Gastroexperte

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Andrin Willi bezeichnet sich selber als Genussaktivist und befasst sich leidenschaftlich gerne mit Themen rund um Essen & Trinken. Er ist ausgebildeter Hotelier, hat Foodzeitschriften wie «Salz & Pfeffer» oder «marmite» geleitet und arbeitet heute als selbstständiger Gastronomieberater.

Laut Genuss- und Gastroexperte Andrin Willi macht die Lancierung einer Ghost Kitchen nur dann Sinn, wenn bereits eine gewisse Bekanntheit vorhanden ist und mit einer eigenen Kurier-Flotte gearbeitet wird. Denn was viele nicht wissen: Grosse Lieferdienste wie Uber Eats oder Eat.ch verlangen nicht nur bis zu 30% Provision pro Gericht (z.B. 6 Franken bei einer Pizza für 20 Franken), sondern geben ihre Daten nicht weiter. Die Restaurants tappen also im Dunkeln und müssen selber herausfinden, wo ihre Kundschaft zuhause ist und wer eigentlich den Bestell-Button drückt.

Die Schweiz hinkt Amerika gastronomisch immer 15 Jahre hinterher. Meiner Meinung nach könnten Ghost Kitchens in der Schweiz funktionieren.
Autor: Andrin Willi Genuss- und Gastroexperte

Seine Empfehlung ist es daher, sich als Ghost Kitchen mit anderen Gastronom*innen zusammenzutun und einen eigenen Kurierdienst aufzuziehen. Ob das tatsächlich klappt, dürfte sich bald zeigen, denn bereits im September schliessen sich in Zürich 5-7 Jungunternehmen zu einer Ghost Kitchen zusammen, um neue Konzepte auszuprobieren. Auch in Basel soll diesen Spätsommer ein rein virtuelles Poké-Angebot lanciert werden. Es bleibt also spannend, ob die Küchen zukünftig ins Dunkle verschwinden werden oder nicht.

Was sagst du zu «Ghost Kitchens»? Würdest du etwas bestellen oder vertraust du dem Konzept nicht? Schick uns deine Meinung via Whatsapp-Sprachnachricht auf 079 909 13 33 oder hinterlasse einen Kommentar.

«Kompass»

Box aufklappen Box zuklappen

Egal ob Hentai, Microdosing oder Dämonenaustreibung - Host und Produzent Jan Gross lockt dich aus der Komfortzone und beleuchtet Themen abseits des Mainstreams. Im Zentrum stehen Menschen, ihre Meinungen und Geschichten.

Meistgelesene Artikel