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Microdosing: Kleine Dosis mit grosser Wirkung?
Aus Junge Popkultur, urbanes Leben vom 03.08.2020. Bild: Unsplash
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Kompass Microdosing: kleine Dosis mit grosser Wirkung?

Immer mehr Menschen greifen zu Kleinstmengen von Halluzinogenen, um kreativer und leistungsfähiger im Alltag zu sein. Was als Bewegung im Silicon Valley gestartet hat, ist längst zum globalen Phänomen geworden. Was hat es mit dem illegalen Gehirndoping auf sich?

Im Jahr 2011 hat der amerikanische Psychologe James Fadiman in seinem Buch «The Psychedelic Explorer’s Guide» behauptet, dass die Einnahme von Mindestmengen an psychedelischen Substanzen zu mehr Leistung, Kreativität und Energie führen soll. Völlig klar, dass das hohe Wellen geschlagen und im Silicon Valley eine regelrechte Bewegung ausgelöst hat. Mittlerweile trägt das Phänomen den Namen «Microdosing» und findet auch in der Schweiz immer mehr Anhänger*innen.

In der Hintergrundsendung «Kompass» (siehe oben) nehmen ein Facharzt und Microdoser Stellung dazu und erzählen von ihren Erfahrungen. Untenstehend sind die zentralsten Aussagen und Fakten zusammengefasst.

Das Wichtigste in Kürze

  • «Microdosing» beschreibt die Einnahme von psychoaktiven Substanzen in einer so kleinen Menge, dass die Wirkung praktisch nicht spürbar ist. Sie liegt zwischen 8 und 30 Mikrogramm und wirkt für zirka 4 bis 5 Stunden.
  • Das beliebteste Halluzinogen für «Microdosing» ist LSD, aber auch Psilocybin (Zauberpilze) wird häufig genutzt. Konsumiert wird es in Form eines verdünnten Sprays oder als Tropfen auf einem kleinen Stück Filz.
  • Den Minidosierungen werden unter anderem leistungsfördernde, kreativitätsanregende, antidepressive und angstlösende Eigenschaften zugeschrieben. Halluzinationen treten nicht auf.
  • Der Konsum von psychoaktiven Drogen ist auch in kleinen Mengen illegal und verboten.

Forschung steht noch am Anfang

Dr. Jonas Montagna

Dr. Jonas Montagna

Oberarzt Psychiatrie

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Dr. Jonas Montagna ist Oberarzt für Psychiatrie bei Arud, dem Zürcher Zentrum für Suchtmedizin. Er behandelt Menschen mit problematischem Suchtverhalten und versucht, deren Konsum in einen möglichst sicheren Rahmen zu bringen.

Grundsätzlich sei «Microdosing» eher ungefährlich und habe ein geringes Abhängigkeitspotenzial, meint Dr. Jonas Montagna, Oberarzt für Psychiatrie bei Arud. Es gäbe aber trotzdem einige Punkte, die beachtet werden sollten. So ist keine der Wirkungen wissenschaftlich belegt und beruhe lediglich auf Aussagen der Konsument*innen. Aus diesem Grund würden auch die Mengenangaben der psychedelischen Substanzen stark variieren, da diese schwer messbar seien und häufig falsch eingeschätzt werden.

Die Wirkungen von Microdosing wurden noch nie wissenschaftlich belegt. Wir wissen auch noch nicht, ob Langzeitschäden auftreten können.
Autor: Dr. Jonas Montagna Oberarzt Psychiatrie

Obwohl «Microdosing» schon seit langem ein Thema ist, steht auch die Forschung noch am Anfang. Der Hauptgrund dafür dürfte sein, dass die Bewilligung für Studien mit illegalen Substanzen schwer zu bekommen sei und der Fokus auf «normale» Mengen – sogenannte Makrodosen – gelegt werde. Heisst konkret: Bei «Microdosing» zeigen sich immer noch viele Fragezeichen. Gibt es Langzeitschäden? Nützen die kleinen Dosen überhaupt etwas? Oder schaden sie sogar?

Hier spüre Dr. Jonas Montagna aber einen Wechsel und die Zahl der Studien steige fortlaufend. Allein 2019 kam es zu rund 30 Forschungsprojekten, was weltweit gesehen aber immer noch recht wenig ist. Mittlerweile hat auch die Psychotherapie den Einsatz von psychedelischen Substanzen für sich entdeckt und forscht momentan, ob und welche positiven Effekte Halluzinogene auf psychisch erkrankte Menschen hat.

Frau vor Neonschildern
Legende: Mehr Kreativität und Leistung dank illegalen Substanzen? Laut dem Psychologen Dr. James Fadiman und den Microdoser*innen soll es funktionieren. Unsplash

Wirkung wie eine Tasse Kaffee

Für Kai*, Anfang 30 und in der Forschung tätig, war es weder die Steigerung der Leistung noch die wachsende Kreativität, welche ihn zum «Microdosing» bewegt haben. Er wollte ein paar Verhaltensmuster überdenken und brauchte während den kalten und grauen Wintertagen ein bisschen zusätzliche Energie. Daher entschied er sich vor zwei Jahren, während vier bis fünf Monaten jeweils zweimal wöchentlich zu mikrodosieren. Dazu bestimmte er seine persönliche Schwelldosis von drei Mikrogramm, nahm eine alte Haarspray-Dose und mischte sich einen Spray mit LSD und Wasser.

Wenn ich eine Mikrodosis nehme ist alles ein bisschen leichter. Ich fühle mich am Abend nicht kaputt, kann mich besser fokussieren und bin meinen Gefühlen näher.
Autor: Kai Microdoser

Weil er wirklich einen Unterschied gespürt hat, macht er es seither jeden Winter. Die Wirkung des «Microdosings» vergleicht er mit der einer Tasse Kaffee. Er spüre eine Leichtigkeit und ein warmes Gefühl, ähnlich wie nach einer Yogasession. Hinzu käme, dass er sich bei der Arbeit besser fokussieren könne und nicht mehr so verzettelt sei.

Betonen möchte er dabei, dass er nicht wirklich auseinanderhalten kann, welche Effekte vom Spray selbst kommen und was aus einem Placebo-Effekt heraus passiert. Denn wer sich besser fühlt, gehe die Dinge automatisch anders an. Ausserdem ist er trotz seinen positiven Erfahrungen der Meinung, dass ähnliche Zustände wie beim «Microdosing» auch ohne Drogen erreicht werden können. Für ihn sei es lediglich ein hilfreiches Werkzeug im Alltag.

Hinweise zu «Microdosing»

Wie schon erwähnt ist der Konsum von psychedelischen Substanzen illegal – egal ob in grossen oder kleinen Mengen. Solltest du trotzdem das Bedürfnis haben, «Microdosing» auszuprobieren, hat Dr. Jonas Montagna ein paar wichtige Hinweise für dich:

  • Falls du zu einer Risikogruppe (Schwangere, Personen mit Bluthochdruck, psychisch Erkrankte oder Verwandte von psychisch erkrankten Personen) gehörst, solltest du die Finger von psychoaktiven Substanzen lassen, da die Gefahr einer Psychose besteht.
  • Setze auf flüssig statt fest! Halluzinogene lassen sich als Spray besser dosieren als auf einem Stückchen Filz, da sich der Tropfen ungleichmässig verteilt.
  • Bestimme deine Schwelldosis und setze dir einen begrenzten Zeitraum, in dem du die mikrodosierst.
  • Lass deine Substanzen unbedingt testen (z.B. im Drogeninformationszentrum Zürich), da man auf dem Schwarzmarkt nie sicher sein kann, was man gekauft hat.

Hast du schon Erfahrungen mit «Microdosing» gemacht? Oder mikrodosierst du zurzeit? Erzähl uns davon via Whatsapp-Sprachnachricht an 079 909 13 33 oder schreibe es unten ins Kommentarfeld.

*Name von der Redaktion geändert

«Kompass»

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Egal ob Hentai, Microdosing oder Dämonenaustreibung - Host und Produzent Jan Gross lockt dich aus der Komfortzone und beleuchtet Themen abseits des Mainstreams. Im Zentrum stehen Menschen, ihre Meinungen und Geschichten.

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