Lucas hat seinen ersten epileptischen Anfall im Alter von 20 Jahren. «Das ist sehr selten», sagt er. «Normalerweise kriegt man die Krankheit als Kind und sie bildet sich zurück – oder sie tritt zu einem späteren Zeitpunkt auf.»
Ein Blackout
An einem trainingsfreien Wochenende will er gemeinsam mit seinen Freunden ans «Heitere Open Air» gehen. Er hat eine letzte Erinnerung daran, wie er duscht und die Treppe hoch in sein Zimmer geht. Angeblich hat er dort einen Anfall. Als seine Mutter ihn mit Schaum vor dem Mund am Boden krampfen sieht, ruft sie sofort die Ambulanz, welche ihn abholt.
Ich habe die Welt nicht verstanden.
Im Krankenhaus wird Lucas erklärt, dass er einen epileptischen Anfall hatte und was das für ihn heisst. Es könnte sich aber um eine Ausnahme handeln – erst bei einem zweiten Anfall kann man mit Sicherheit sagen, dass er an Epilepsie leidet. Dieser lässt nicht lange auf sich warten. Vier Tage später hat Lucas vor seinem gesamten Team einen weiteren Anfall. Von da an ist ihm klar, dass er krank ist. Deshalb hat er extrem Angst davor, wieder zu turnen.
Wenn ich an einem Gerät einen Anfall bekomme, ist das Horror!
Hoffnung für die Zukunft?
Lange leidet er und traut sich kaum mehr alleine das Haus zu verlassen. Lucas lebt in der ständigen Angst einen Anfall zu erleiden und sich dabei im schlimmsten Fall tödlich zu verletzen.
Schliesslich entscheidet er, sich gegen die Krankheit zu wehren und startet erneut das Training. Im Jahr 2013 reist er nach Moskau, um an den Europameisterschaften 2013 am Barren teilzunehmen. Dort gewinnt er nach einer hervorragenden Darbietung den Titel als Vize-Europameister.
Trotzdem teilen ihm seine Trainer mit, dass er nicht an den Olympischen Spielen 2014 mitmachen darf. Das Risiko, dass er während den Wettkämpfen einen Anfall kriegt, ist zu hoch.
Das war das endgültige Aus für mich.
Die darauffolgenden Wochen braucht er, um wieder zu sich selbst zu finden. Er findet eine neue Passion in der Musik.
Eine neue Perspektive auf das Leben
Man könnte sagen, die Epilepsie hat Lucas alles genommen, was ihm wichtig war. Trotzdem sieht er seine Krankheit nicht als Feind. Vielmehr schätzt er, dass sie ihn gezwungen hat über sich selbst nachzudenken. Im Sport ist es so, dass die Männer ein maskulines, cooles Bild repräsentieren. Um dieser Vorstellung des Sportlers gerecht zu werden, hat er begonnen, sich selbst zu verleugnen.
Ich wollte keine Angriffsfläche für Mobbing bieten.
Jetzt hat er gelernt, sich selbst so zu akzeptieren, wie er ist. Er hat keine Angst mehr zu zeigen, wer er ist und steht öffentlich zu seiner Homosexualität.