Man sieht es ihm nicht an, aber Mark hat Schmerzen. «Es ist wie bei einem Bänderriss. Nur dass man jede Woche an mehreren Orten einen Bänderriss hat», sagt Mark. Seinem Sohn hat er es als stündliche Wurzelbehandlung erklärt. Manchmal wäre es ihm lieber, wenn er einen Verband anhätte, damit Aussenstehende ein optisches Anzeichen sehen würden. Dieser Umstand macht einsam: «Neben dem Schmerz ist die Einsamkeit deswegen fast das Schwierigste», stellt Mark fest.
Ein Rheumatologe sagte mir einst, dass ich mit 25 im Rollstuhl und mit 30 tot sein werde.
Ein unklarer Ursprung
Er selbst kann den Ursprung seiner Schmerzen nicht ergründen. «Ich habe seit meiner Kindheit verschiedene körperliche Probleme», erklärt Mark. Er ist in den Tropen aufgewachsen und musste verschiedene Krankheiten wie Malaria durchstehen. In seiner Jugend wird bei ihm eine juvenile Polyarthritis diagnostiziert. «Ein Rheumatologe sagte mir einst, dass ich mit 25 im Rollstuhl und mit 30 tot sein werde. Das hat sich glücklicherweise nicht bewahrheitet», weiss Mark.
Mittlerweile vermutet man bei ihm eine chronische Chondrokalzinose, eine Krankheit mit einer genetischen Komponente. Mark selbst vermutet eine weitere chronische Erkrankung. Er glaubt, dass die Schmerzwahrnehmung durch ein traumatisches Erlebnis (einem Missbrauchsfall) in seiner Kindheit verschlimmert wurde. «Ich habe Traumatherapien absolviert, aber diese haben keinen grossen Unterschied gemacht.»
Ich habe meinem Köper durch die mehrmaligen Operationen geschadet.
Auf medizinischen Aufnahmen kann man bei Mark viele Kalkablagerungen feststellen. «In mir sieht es aus wie eine verkalkte Waschmaschine», beschreibt er. Mark unterzieht sich immer wieder Operationen, um den Kalk zu entfernen. Mittlerweile sind es 12 an der Zahl. Rückblickend bereut er diese. «Ich würde mich viel konservativer behandeln lassen», sagt Mark heute.
Wenn ich dem Schmerz keinen Raum gebe, zahle ich einen hohen Preis.
Die chronischen Schmerzen sind für Mark eine schwer zu tragende Last. Gerne würde er mehr mit seiner Familie unternehmen, mehr Sport machen, beruflich volle Leistung erbringen, was aber aufgrund der Schmerzen schlichtweg nicht möglich ist. Gleichzeitig versucht er seine Qualen nicht zum Lebensmittelpunkt werden zu lassen.
Mit Schmerzen leben – aber wie?
Mark hat verschiedene Möglichkeiten, wie er seine Schmerzen bekämpfen kann. Einerseits ist Wärme etwas, das seine Schmerzen lindert. Deswegen nimmt er täglich ein heisses Bad und geht in die Sauna. Andererseits hilft ihm leichte Bewegung gegen die Schmerzen. Aber Temperatur und Bewegung alleine helfen nicht. Er muss täglich diverse Schmerzmittel zu sich nehmen. Die hohen Dosen führen bei ihm bisweilen fast zu einer Atemdepression. «Es ist beängstigend zu merken, dass ich die Dosis immer erhöhen muss», sagt Mark.
Im Jetzt leben
Ein wegweisendes Erlebnis hatte Mark auf einer Studienreise in Jerusalem. Er hatte derart Schmerzen, dass er Blut erbrach und blutigen Stuhl hatte. «Wenn ich jetzt in Ohnmacht falle, weiss ich nicht, ob ich wieder aufwachen werde», erinnert er sich. Er merkt, dass er so nicht mehr weiterleben will. Er entschliesst sich, nur noch palliativ behandelt zu werden und hofft nicht mehr auf eine Heilung. Vielmehr versucht er jeden Tag so zu nehmen wie er kommt und im Jetzt zu leben.
Ich habe mich vorbereitet. Ich bin bereit zu gehen.
Gleichzeitig beschäftigt er sich intensiv mit dem Tod. Mark ist überzeugt, dass das jetzige Leben lediglich ein Vorspiel ist. «Ich glaube, wir sind ein Geist mit einem Körper, und nicht ein Körper mit ein bisschen Geist.»
Seit er sich mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzt, kann Mark viel befreiter durchs Leben schreiten. Auch mit seinen Schmerzen hat er Frieden geschlossen: «Lange wurde mir gesagt, dass man gesund sein muss für ein glückliches Leben», weiss Mark. «Aber ich kann auch mit Schmerzen glücklich sein.»
Mark weiss, dass er viel mehr als seine Schmerzen ist.