Mit Sehstörungen im rechten Auge sucht Dominik vor fünf Jahren einen Arzt auf. Vom Arzt wird er sofort ins Spital weitergeschickt, wo man ein MRI durchführt. Darauf kann man Stellen in seinem Hirn erkennen, bei denen Nervensignale nicht richtig weitergeleitet werden. Durch das Ausschliessen von anderen Krankheiten fällt schliesslich die Diagnose: Multiple Sklerose (MS).
Wenn man eine solche Diagnose erhält, fällt man zuerst in ein Loch.
Vor allem die Unsicherheit des Krankheitsverlaufs macht dem heute 44-Jährigen zu schaffen. «Die Ärzte können dir nicht sagen, wie lange es geht, bis körperliche Beeinträchtigungen eintreffen», weiss Dominik.
«Ich dachte zuerst, es sei viel schlimmer», erinnert sich Dominik. Doch er merkt bald, dass noch Hoffnung besteht. Dank moderner Medizin kann man MS heutzutage früh erkennen. Zudem gibt es heute Medikamente, die den Krankheitsverlauf verlangsamen. «Die Neurologen haben mir Mut zugesprochen und sich sehr viel Zeit genommen, mir die Krankheit zu erklären.»
Seit der Diagnose geniesse ich mein Leben mehr.
Nichtsdestotrotz hat die Diagnose sein Leben auf den Kopf gestellt. Die Krankheit hängt wie ein dunkler Schatten über ihm. «Alle Menschen müssen das Beste aus ihrem Leben machen, nur mir ist es nun viel bewusster», sagt Dominik. Er ist viel auf Reisen gegangen, hat eine Liste erstellt mit Sachen, die er erleben möchte.
Ein Kampf gegen chronische Müdigkeit
Eine häufige Begleiterscheinung der MS ist die chronische Müdigkeit, das Fatigue-Syndrom. «Früher war ich mit sieben Stunden Schlaf topfit. Heute kann ich mich höchstens noch drei bis vier Stunden am Tag konzentrieren», stellt Dominik fest. Heute braucht er knapp 12 Stunden Schlaf bis er einigermassen funktionieren kann.
Man muss aufpassen, dass man sich nicht als Kranker definiert.
Dominik muss die wenigen Stunden, die er am Tag zur Verfügung hat, gut einteilen. Für ihn ist es daher ein Ding der Unmöglichkeit, eine Vollzeitstelle zu bewältigen. Wegen seiner MS und der Einschränkung durch das Fatigue-Syndrom bezieht Dominik zu 100 Prozent IV, was manchmal für Unverständnis sorgt. «Man sieht mir meine Krankheit nicht an, deshalb muss ich mich manchmal gegen aussen verteidigen», sagt Dominik. «Ja, ich könnte noch ein wenig arbeiten, aber man weiss nicht wann. Deshalb wäre es sehr schwierig, mich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.»
Ein gewisser Neid ist schon da.
Es kann vorkommen, dass Dominik gegenüber anderen Neid empfindet. «Ich kenne Leute, die ihr ganzes Leben lang rauchen und trinken. Die sind gesund, während ich krank wurde», meint Dominik.
Eine schwierige Kindheit
«Bei Autoimmunkrankheiten spielt eine psychische Komponente immer mit», sagt Dominik. Doch viele Menschen, die eine traumatische Kindheit hinter sich haben, werden nicht krank. «Es hat mich auf jeden Fall beeinflusst», ergänzt Dominik.
Dominik durchlebt eine schwierige Kindheit. Sein Vater ist pädophil und wurde in vier Fällen verurteilt. «Als ich das mit 18 erfuhr, war ich ein Jahr lang geschockt. Erst danach konnte ich mit anderen darüber reden.» Sein Vater habe sich aber nie an ihm vergangen. Im Gegenteil: Seine Kindheit war geprägt von der Vernachlässigung körperlicher Nähe, vom Vater sowie von seiner Mutter. «Es gibt kein einziges Foto unserer Familie mit einer Umarmung», stellt er fest. Dieser Mangel an körperlicher Nähe war für Dominik in seiner Kindheit ein grosser Stressfaktor.
Akzeptanz als Schlüssel um glücklich zu sein
Man kann trotzdem viele Träume verwirklichen.
Die Frage, wieso ausgerechnet er MS bekommen hat, hat er sich nie gestellt. «Es war ein Schicksalsschlag», so Dominik. «Ich habe mich nie nach der Ursache gefragt, oder was ich im Leben falsch gemacht habe», sagt er, «einerseits ist es Pech, andererseits wurden mir durch die MS sehr viele Themen nähergebracht. Man kann trotzdem viele Träume verwirklichen.»
Auch möchte sich Dominik von der Krankheit nicht unterkriegen lassen. «Man hat ein Leben. Entweder man trauert diesem nach oder man nimmt es an.»
Noch wichtiger ist es für ihn, wie er mit der Krankheit umgeht. «Man kann sich zwar besser ernähren, mehr Sport machen, aber den Rest muss man einfach akzeptieren.»