Julia hat als Zehnjährige plötzlich Blut im Stuhl. Der Kinderarzt findet jedoch keine Ursache dafür. In der Pubertät tritt dies vermehrter auf, doch Julia geniert sich, das Thema anzusprechen. Sie leidet an Bauchkrämpfen, Übelkeit und 20 bis 30 Stuhlgängen pro Tag. Schliesslich erhält sie mit 18 Jahren die Diagnose «Colitis Ulcerosa».
Die Krankheit beeinträchtigt auch ihren Alltag: Julia hat keine Kontrolle über ihren Darm und ist teilweise inkontinent. Sie versucht alles, um ihre Situation zu verbessern: Neben der ärztlichen Behandlung stellt sie ihre Ernährung um und besucht einen Naturheilpraktiker. Täglich muss sie diverse Tabletten schlucken. Doch die Behandlung schlägt nicht an, ihre Krankheit beeinflusst ihren Alltag so stark, dass sie durch ihre Einschränkungen ihren Job verliert. Schliesslich gibt es nur noch eine Option: eine Kolektomie. Dies bedeutet eine komplette Entfernung des Dickdarms.
Ein Stoma als Darmausgang
Durch die Entfernung des Dickdarms erhält sie einen künstlichen Darmausgang, ein Stoma. Mit einem Stoma wird die Darmentleerung in einen äusserlich an der Bauchdecke angelegten Beutel geleitet. Die Entleerung kann nicht willentlich kontrolliert werden, und der Beutel muss regelmässig ausgewechselt und gereinigt werden.
Ich sehe den Beutel. Ich sehe das rote, kleine Teil, das aus dem Bauch schaut. Es bewegt sich auch, das irgendwie komisch ist.
Als sie nach der Operation aufwacht, leidet sie an starken Schmerzen. Zudem ist sie allergisch auf das ihr verabreichte Morphium. Neben den körperlichen Leiden ist Julia sehr traurig, sie findet das Stoma hässlich. Wie soll das funktionieren, ein Leben ohne Dickdarm?
Ein Jahr nach der Operation hat sich ihr gesundheitlicher Zustand enorm verbessert. Trotzdem stellt sie das Stoma vor Herausforderungen. Auf einem Konzertbesuch mit ihrer Schwester bemerkt Julia plötzlich einen unangenehmen Geruch, und ihre Sorge bestätigt sich: Das Stoma ist undicht. Da sie den Eurokey, der ihr Zugang zu einer Behindertentoilette ermöglicht, vergessen hat, muss sie die öffentliche Toilette benützen. Für das Reinigen und Auswechseln des Stomas benötigt sie ein Waschbecken und so muss sie vor anderen Konzertbesucherinnen ihren Stuhl entleeren. Für Julia sehr beschämend.
Ich bin voller Tränen da gestanden und habe mich geschämt. Weil es ist einfach unangenehm. Es ist nicht ein Tattoo oder etwas, das man sich freiwillig oder für schön macht. Das ist so, wie wenn man jemandem den Arsch ins Gesicht streckt. Das macht man ja auch nicht.
Zum Glück sind diese Situationen eine Seltenheit. Denn durch das Stoma kann Julia wieder ein uneingeschränktes Leben führen. Sie geht skifahren, wandern, feiern, und kann wieder arbeiten.
Sogar ihre Medikamente ist sie los, und auch ernährungstechnisch muss sie keine Kompromisse mehr eingehen. Trotz den Unannehmlichkeiten, die ein Stoma mit sich bringt, lebt Julia heute deutlich beschwerdefreier als in den schlimmen Schubphasen ihrer Colitis Ulcerosa.