Als Dreizehnjährige fällt Corina erstmals auf, dass ihre Beine im Vergleich zu ihrem schlanken Oberkörper unproportional aussehen. Denn Corina ist sportlich; sie macht Orientierungslauf, Leichtathletik und fährt Ski. Trotzdem werden ihre Beine immer dicker.
Deswegen schämt sich Corina immer mehr, kurze Sachen zu tragen. Neben den schmerzenden Beinen kämpft sie auch noch gegen das Einschlafen im Schulunterricht; denn sie leidet an chronischen Müdigkeit.
Ihr mangelndes Selbstvertrauen, welches von Mobbingerlebnissen aus ihrer Kindheit geprägt ist, verunsichert sie zusätzlich. Corina wird depressiv und rutscht in eine Magersucht. Dank der Unterstützung ihrer Familie und einer Therapie findet sie nach einem Jahr wieder aus ihrer Essstörung. Doch die Depression bleibt.
«Ich habe mich geschämt kurze Sachen zu tragen»
Die Diagnose erst nach 20 Jahren
Corina beginnt an sich zu zweifeln und denkt, sie leide aufgrund ihrer Essstörung an einer gestörten Wahrnehmung. Mitte 20 erlebt sie in ihrem Berufs- sowie in ihrem Privatleben eine belastende Zeit. Sie ist antriebslos, unzufrieden und immer müde. Trotz dem häufigen Sport und der bewussten Ernährung bleibt der Unterschied zwischen ihrem Ober- und Unterkörper unverändert.
Ich dachte ich hatte gestörte Wahrnehmung, weil ich magersüchtig war
Schliesslich entscheidet sich Corina für eine Schönheitsoperation, um das überschüssige Fett an den Beinen abzusaugen. Eine Woche nach dem Eingriff erkrankt sie an einer Thrombose und landet deswegen im Spital. Glücklicherweise verschwinden Corinas Schmerzen in den Beinen und ihre Müdigkeit für einige Zeit.
Der Grund für ihre zu platzen scheinenden Beine erfährt Corina aber erst, als sie bereits 20 Jahre damit lebt. Ein Spezialist stellt ihr nämlich die Diagnose Lipödem.
Heute hat Corina zwei von insgesamt vier Operationen hinter sich und es geht ihr gesundheitlich gut, obwohl die 33-Jährige noch immer in Behandlung ist.
Eine ähnliche Geschichte wie Corina erlebt Patrizia: Nach der Schwangerschaft probiert sie verschiedene Diäten aus, um ihren unproportionalen Unterkörper in Form zu bringen und macht fünfmal die Woche Sport. Da alle ihre Bemühungen keine Erfolge zeigen, entscheidet sie sich zu einer Fettabsaugung.
Man wird in der Badi belächelt, ich habe nie eine Glace oder Pommes gegesen.
Doch nach einem halben Jahr ist sie wieder am selben Punkt: Ihr Oberkörper ist schlank, ihre Beine sind dick.
Patrizia leidet an starken Stimmungsschwankungen und fällt in eine Esssucht. Ihre Situation frustriert sie sehr. Neben der Behandlung mit einer Ernährungsberaterin sucht Patrizia einen Schönheitschirurgen auf. Dieser erklärt der 39-Jährigen, dass eine Operation langfristig keine Lösung sei und sie ihre Situation akzeptieren soll. Schliesslich erfährt sie durch eine Freundin von der Krankheit Lipödem und besucht einen darauf spezialisierten Arzt, der ihr die Diagnose stellt, mit der Patrizia seit einem Jahr lebt.
Lipödem ist behandelbar
Das grösste Problem am Lipödem: Es wird von der Krankenkasse nicht als Krankheit angesehen, da keine Langzeitstudie über die Behandlung davon existieren. Das will Uwe Lautenschlager, Leiter einer Lipödemklinik in Winterthur, ändern: «Ein Lipödem wächst überall an Beinen und Armen, da kann nicht einfach punktuell Fett abgesaugt werden. So wächst es nach ein paar Jahren wieder.»
Lautenschlager prägte über die letzten sechs Jahre die Operations-Methode «Komplexe Liposuction», bei der das gesamte krankhafte Fettgewebe entfernt wird. Bis eine repräsentative Studie über den Erfolg dieser Methode herausgegeben werden kann, dauert es aber noch ein paar Jahre. Uwe Lautenschlagers Patienten, die sich der «Komplexen Liposuction» unterzogen haben, zeigen jedoch bereits erste Erfolge.