Als Kind leidet Samuel an einem Aufmerksamkeitdefizit: Er kann sich nicht richtig konzentrieren und kann nicht ruhig sitzen bleiben. Es dauert nicht lange, bis er eine Diagnose erhält: Er leidet unter ADHS.
Bereits im Alter von sechs Jahren wird Samuel Ritalin gegen seine Aufmerksamkeitsstörung verschrieben.
Wenn ein Kind so jung Ritalin zu sich nimmt, kann es sich nicht entwickeln.
Die Angst hat sein ganzes Leben geprägt
Wegen seiner Erkrankung hat Samuel auch Schwierigkeiten mit seinen Mitschülern. Er wird zum Einzelgänger und Mobbingopfer. Er gibt sich selbst die Schuld für diese Situation: Er verpetzt seine Mitschüler wegen den kleinsten Sachen.
Die Schule ist für Samuel eine grosse Belastung. Als er mit 13 nachsitzen muss, da er seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, reisst er aus.
Späte Diagnose
Diese Angst-Episoden werden im Laufe der Zeit immer schlimmer. Durch seine Angstzustände ist auch seine Blase betroffen. Einmal muss er in einem Zug dringend auf die Toilette. Doch alle WCs sind besetzt. Er bekommt eine Panikattcke mit Schweissausbrüchen.
Doch er macht sich keine Gedanken darüber, «es ist da ja zum ersten Mal passiert», erklärt uns Samuel.
Erst vor zwei Monaten realisiert er, dass etwas nicht stimmen kann: Bei einem Familienausflug bekommt er erneut eine Panikattacke, aber er versteht nicht, woher diese kommt.
Kurz danach stosst Samuel auf ein Video eines Bodybuilders, der unter PTSD leidet und denkt, «Scheisse, ich empfinde auch immer Angst, vielleicht habe ich genau das».
Folglich geht er zum Psychiater und findet heraus, dass er unter einer Angststörung leidet.
Vieles lässt sich auf meine Angststörung zurückführen.
Samuels Selbstmedikation mit Alkohol
Irgendwann genügt Samuel das Ritalin nicht mehr und er fängt an zu trinken. Zuerst ein Bier pro Tag, doch nur 3 Monate später sind es sechs bis neun Biere pro Tag. In einem Jahr hätte er über 1620 Liter von dem Gerstensaft getrunken, erzählt er.
Mit ADHS wirst du viel schneller von einer Substanz süchtig.
Sein bester Kollege, Jakob, der damals auch Betreuer in Samuels Wohngruppe war, merkt, dass Samuel von den Medikamenten und vor allem vom Alkohol abhängig wird und greift ein.
Menschliche Nähe
Rückblickend wirft Samuel seinen Ärzten folgendes vor: «Anstatt zu versuchen, mit mir ins Gespräch zu kommen, haben sie mir einfach viele Medikamente verschrieben.»
Man hat mir lieber Medikamente gegeben, als sich mit mir abzugeben.
Vielmehr hätte Samuel sich menschliche Nähe gewünscht.
Zu seinen Bezugspersonen gehört vor allem sein bester Kollege, für den er «unglaublich dankbar» ist.
Ohne ihn wäre ich entweder drogenabhängig oder alkoholsüchtig.
Dazu zählt er jetzt auch seine Freundin, mit der er neulich zusammengekommen ist: «Sie gibt mir Halt und ein Sicherheitsgefühl.»
THC als Alternativtherapie
Cannabis ist für Samuel momentan das beste Alternativmedikament für seine Angststörung. Es gibt ihm Stabilität und dank dem Gras kam er auch von anderen Medikamenten los.
THC hat auch seine Nachteile: Weil es in der Schweiz illegal ist, muss er es sich selbst besorgen und es wird von der Krankenkasse nicht bezahlt. Daraus sind Schulden entstanden.
Deswegen will Samuel auch weniger kiffen, denn er will nicht abhängig werden, wie es ihm mit dem Alkohol passiert ist.
Dank der neu gewonnen Stabilität, die er dem THC, aber vor allem seinen Freunden zu verdanken hat, kann Samuel endlich vorwärts schauen. Er will reisen und die Welt entdecken, eine Sache, die er wegen seiner paralysierenden Angst noch nicht erleben konnte.