#Brainout. Ein Hashtag, er könnte von windigen Filmemachern stammen, die ihr neustes Projekt anteasern wollen. Doch mit einer Liebeskomödie hat er herzlich wenig zu tun. Im Gegenteil: #Brainout erzählt die langjährige Leidensgeschichte von Fitnesstrainerin Kay. Die heute 37-Jährige merkte schon in frühem Alter, dass sie nicht unter herkömmlichen Depressionen litt. «Es begann an einem zehnten Geburtstag einer Freundin in der Grün80 in Münchenstein.»
Von einem Arzt zum nächsten
So genau erinnert sie sich an das einschneidende Geschehnis. «Ich befand mich wie in einem Traumzustand», rekonstruiert sie. Was sich damals noch um einen zwei- bis dreistündigen Zustand handelte, zieht sich mittlerweile über vier bis sechs Wochen, und dies zweimal jährlich. Kay beschreibt die Situation folgendermassen: Ihr Hirn fühlt sich an, als wäre es eingefroren, gar ausgeschaltet. Sie verliert das Wärme- und Kälteempfinden, kann kaum einschlafen, noch kann sie sich am Morgen aus dem Bett zwingen. Vor allem das Wachliegen bereitet ihr sehr viel Mühe. «Ich kratze mir in den Nächten die Schienbeine blutig.»
Ihre intrinsische Motivation ist in diesen Momenten aber vollkommen vorhanden. Das Problem jedoch ist die Umsetzung. Egal was sie tun will, an das Ausführen einer Idee ist nicht zu denken. Dies erzählt Kay im Laufe ihres Leidensweges auch sehr vielen Ärzten* und Ärztinnen*. Ein steiniger Weg, der schon vor der ersten Behandlung beginnt. «In meiner Familie und meinem Umfeld war die Psyche ein Tabuthema. Mir wurde eingetrichtert, dass es mir immer gut gehen muss.» Ihre Eltern waren hilflos, die Ärztinnen* und Ärzte* halfen nicht und pumpten sie mit Medikamenten voll. Es ging sogar so weit, dass ihr im jugendlichen Alter ein Medikament verschrieben wurde, welches im Normalfall von schwer depressiven Menschen eingenommen wird.
«Ich wollte niemandem mehr zur Last fallen»
Als bei Kay auf dem Nachhauseweg wegen des starken Medikaments Komplikationen auftreten, reagiert ihre Mutter glücklicherweise umgehend. Im Spital kommt dann die Bestätigung: Hätten sie ein paar Minuten gezögert, wäre die Fitnessinstruktorin heute nicht mehr am Leben. Durch die ärztliche Fehlbehandlung und die immer länger werdenden Traumzustände geht es der ehemaligen Bachelor-Kandidatin zunehmend schlechter.
So schlecht, dass sie sich entscheidet, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Auf einer Ferienreise in Barcelona spürt sie, dass sie wieder einen Rückfall hat.
Meine Freundinnen wissen bis heute nichts von meinem Suizidversuch.
Nachdem sie ihren mitgereisten Freundinnen gesagt hat, dass sie auf dem Hotelzimmer bleibt, steigt sie auf die Balkonbrüstung. «Ich wollte niemandem mehr zur Last fallen.» Doch zum Glück kann sich Kay in solchen Situationen immer wieder fangen. Nach einem weiteren Negativerlebnis fasst sie den Entschluss, sich nicht mehr von Ärztinnen* und Ärzten*, sondern von sich selbst behandeln zu lassen.
Bachelor und Instagram als Selbsttherapie
Denn der Begriff «Brainout» ist in keinem medizinischen Nachschlagewerk zu lesen. Er ist eine Erfindung von Kay, damit sie darüber reden kann, was in ihr vorgeht. Wenn sie sich in einem ihrer Taumzustände befindet, ist ihr Gehirn blockiert. Sie kann sich weder selbst überwinden, ihre Motivazion in Taten umzuwandeln, noch klare Gedanken fassen. Auch an Autofahren ist dann nicht zu denken. «Ich bin ein Mensch, der im Normalfall voller Energie ist und über seine Probleme reden muss. Ich musste 33 Jahre alt werden, bis ich das endlich tat.» Geholfen hat ihr dabei auch die Teilnahme an «der Bachelor», wo sie an der Öffentlichkeit endlich der Mensch sein konnte, der sie ist. Ihr Hauptventil ist jedoch Instagram, welches sie als ihr Tagebuch bezeichnet. Dank dem Wort «Brainout» fühlt sich Kay mittlerweile viel mehr mit sich selbst im Reinen und hofft darauf, dass sie Menschen, die ähnlich fühlen, zum Reden motivieren kann.