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Rehmann Milena (28): «Ich musste mein Kind tot zur Welt bringen»

Milena* wird mit 23 Jahren ungewollt von ihrem Freund schwanger. Als dieser sie im dritten Monat sitzen lässt, kämpft sich die junge Frau alleine durch die Schwangerschaft und freut sich auf ihr Baby – bis sie plötzlich ihr Kind nicht mehr spüren kann.

Sick of Silence

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In der Sendung Rehmann S.O.S erzählen seit einem Jahr junge , kranke Menschen ihre Lebensgeschichte. Nun geben wir Menschen eine Stimme, die anonym von ihrem Schicksal erzählen möchten.

In der Webserie erzählen die Schauspieler Silvio Kretschmer und Giorgina Hämmerli solche Geschichten - genau so, wie uns diese erzählt wurden.

Sie ist erst 23 Jahre alt und frisch mit ihrem Freund zusammen, als Milena merkt, dass sie schwanger ist. Als die junge Frau ihren Mut zusammen nimmt, um ihren 16 Jahre älteren Freund über die Umstände zu informieren, lehnt dieser die Vaterschaft ab und wirft ihr vor, ihn betrogen zu haben: «Er meinte, bei ihm sei schon vor 30 Jahren festgestellt worden, dass er zeugungsunfähig sei. Ich jedoch bin in einer Beziehung eine treue Seele.»

Als sich der 40-jährige Mann auch keinem Vaterschaftstest unterziehen möchte, ist Milena verzweifelt. Nach etlichen Gesprächsversuchen entschliesst sich dieser doch, sich mit der Idee Vater zu werden auseinanderzusetzen. Milena schlägt ihrem Freund vor, sie zu heiraten, damit die beiden den bürokratischen Teil, der nach der Geburt eines Kindes ansteht, vereinfachen können.

Ihr Freund willigt der pragmatischen Lösung ein: «In den ersten drei Monaten meiner Schwangerschaft war er sehr liebevoll. Auch wenn er immer wieder behauptete, nicht der Vater zu sein und auch phasenweise wollte, dass ich abtreibe. Ich glaube, er wusste selber nicht was er will», erzählt Milena.

Schwanger sitzen gelassen

Im dritten Monat der Schwangerschaft teilt Milenas Freund ihr mit, dass sich seine Ex-Freundin gemeldet hätte und er zu ihr zurückkehrt.

Er liess mich im dritten Monat sitzen.

Trotz schwieriger Umstände erlebt die werdende Mutter in den nächsten Monaten eine angenehme Schwangerschaft ohne grosse Komplikationen. Alles verläuft nach Plan, bis Milena etwa zwei Wochen vor dem geplanten Entbindungstermin ein mulmiges Gefühl wahrnimmt: «Ich habe mich plötzlich scheisse gefühlt, aber konnte diese Gefühl nicht definieren.» Aus Angst, dass es Probleme mit dem Baby gibt, wendet sie sich an ihren Frauenarzt. «Ich meinte zu ihm, dass ich das Gefühl habe, etwas stimme nicht mit meinem Kind und wir müssten es jetzt rausholen.» Der Arzt checkt alles durch, entdeckt jedoch keine Anzeichen dafür, dass es ein Problem gibt.

Ich habe meine ganze Schwangerschaft alleine durchgestanden und dadurch eine sehr starke Bindung zu meinem Sohn aufgebaut.

Eines Abends kurz vor dem Entbindungstermin, Milena liegt schon im Bett, beginnt sie aus dem nichts zu weinen und zu schreien: «Es war, als wurde mein Herz von einem Moment auf den anderen zerrissen.» Nachdem sie mit einer Freundin essen geht, verspürt sie ein schreckliches Gefühl. «Irgendetwas in mir, sagte: Dein Kind lebt nicht mehr.»

Milena ist mit ihren Nerven völlig am Ende und vermutet durch die Belastung der letzten Monate nun komplett durchzudrehen. Gegen Abend wird ihr schreckliches Gefühl immer stärker, bis sie den Kindsvater anruft und ihm panisch mitteilt, dass ihr Sohn nicht mehr lebt und er sie ins Krankenhaus fahren muss.

Obwohl er sie zuerst für verrückt erklärt, fährt er Milena letztendlich ins Krankenhaus. Dort angekommen wiederfährt Milena der schlimmste Albtraum einer werdenden Mutter: Ihr Kind ist seit 24 Stunden tot und sie muss es so zur Welt bringen.

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Wenn das eigene Kind nicht lebend zur Welt kommt

Als Milena drei Monate nach der Tragödie das erste Mal wieder auf der Arbeit erscheint, wird sie von ihrem Umfeld mit taktlosen Vorwürfen konfrontiert: «Sie haben mir die schlimmsten Vorwürfe an den Kopf geworfen: ‹Warum hast du dein Kind getötet?› oder ‹Du hättest halt nicht arbeiten sollen!›. Was hätte ich sonst tun sollen? Ich war alleine und musste irgendwie über die Runden kommen.»

Milena kann sich mit niemandem in ihrem Umfeld austauschen: «Die Menschen weichen dem Thema aus, schauen dich komisch an. Wenn jemand nicht denselben Schicksalsschlag erlebt hat, kannst du nicht darüber sprechen.» Und gerade deshalb ist es Milena wichtig, dieses Tabu zu brechen. Sie möchte anderen helfen:

Ich bin gebrochen und werde mich nie mehr davon erholen. Aber vielleicht kann ich jemandem, der selbst betroffen ist zeigen, dass er nicht alleine ist.

*Name von der Redaktion geändert

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