Angefangen hat es schon im Kindergarten: Raymond (17) ist damals etwas auffällig, weshalb ihn sein Kindergartenlehrer in den Pausen drinnen einschliesst, während die anderen Kinder draussen spielen dürfen. «Er hat mich vor der ganzen Klasse als Idiot dargestellt, der nichts auf die Reihe kriegt», erzählt Raymond. «Ich sass weinend vor dem Fenster.» So wurde er automatisch von den anderen Kindern ausgeschlossen und ignoriert.
Auch in der Primarschule geht es so weiter: «Ich konnte nie wirklich Kontakte und Freundschaften knüpfen.» Er wird ausgeschlossen, beleidigt und herumgeschubst. Wenn er seiner Lehrerin davon erzählt, dann «ging es ihr am Arsch vorbei». Sie habe nichts gemacht und einfach nur zugeschaut.
Entweder Ritalin oder eine neue Schule
Raymonds Eltern versuchen ihm zu helfen, doch die Schulleitung schickt den Jungen zum Arzt und zwingt ihn, Ritalin zu nehmen. «Sie haben gesagt: ‹Entweder nimmst du die Medikamente oder du fliegst von der Schule.›» Daraufhin zieht seine Familie um und Raymond kommt an eine neue Schule.
Der Lehrer sagte nur: ‹Ihr seid alt genug, klärt das selber unter euch.›
Aber auch dort fällt es ihm schwer, Freunde zu finden. «Wegen meiner schlechten Erfahrungen habe ich mich zurückgezogen. Ich hatte Angst, dass das Gleiche wieder passiert.» Es wird sogar noch schlimmer: Raymond wird von seinen Schulkollegen verprügelt. Er versucht, es zu vertuschen und behauptet, die blauen Flecken kämen von einem Sturz. «Ich habe mich geschämt und mit niemandem darüber gesprochen.»
In der Oberstufe wird ihm alles viel zu viel und er bricht zusammen. Fest entschlossen, sich das Leben zu nehmen, verabschiedet er sich per Sprachnachricht bei einer Kollegin. Sie findet ihn, bevor er sich etwas antun kann. Raymond wird zur Schulsozialarbeiterin geschickt und von da zu einer Psychiaterin.
In der Schule wurde mir vorgeworfen, dass ich mich nur hätte umbringen wollen, um Aufmerksamkeit zu erhalten.
Für kurze Zeit wird es etwas besser, doch nach ein paar Wochen fängt das Mobbing wieder an. Raymond sehnte sich nur nach dem Schulabschluss. Als er für das 10. Schuljahr in eine andere Gemeinde wechselt, erhofft er sich, dass alles besser wird. Doch auch da wird er gepeinigt, gemobbt, geschlagen und erhält Morddrohungen.
«Psychische Krankheiten sollten ein Schulfach sein»
Heute kann Raymond darüber reden, was er alles erleben musste. Er wendet sich mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit und möchte so auf psychische Krankheiten und Mobbing aufmerksam machen. Er hofft, dass Schulen und Lehrer*innen mit dem Thema Mobbing und psychische Krankheiten sensibler umgehen und Schüler*innen darüber aufgeklärt werden, was Mobbing alles auslösen kann. Betroffenen, die Ähnliches wie er erleben, gibt er mit auf den Weg: «Redet mit jemandem darüber. Frisst nicht alles in euch herein und wartet, bis es zu spät ist.»