Stell dir vor, deine Mitschüler nennen dich wegen deines Übergewichts «Sofa» oder «Feissdonnstig» (Schmutziger Donnerstag im Wallis) – mit 12. So erging es der heute 42-jährigen Sandra: «Ich hätte mir gewünscht, es wäre jemand da gewesen, der gleich ist wie ich.» So hätte man sich bei der Hand nehmen und sagen können: Wir sind halt anders, aber wir sind auch okay, findet Sandra heute.
Sandras damalige beste Freundin hingegen ist sehr schlank. Trotzdem wäre sie lieber wie ihre Freundin. Denn wo sie aufwächst, ist sie die einzige Übergewichtige in ihrem Alter.
Ich habe mich versteckt und versucht, möglichst wenig aufzufallen.
Die Angst, gemobbt zu werden, wird bei der gebürtigen Walliserin so gross, dass sie sich sogar kaum traut an einer Gruppe Gleichaltriger vorbeizugehen. «Ich wurde zum Mitläufer und war immer still – auch wenn ich eigentlich etwas zu sagen hatte.» Ihre Teenagerjahre beschreibt Sandra deshalb bis heute als die schlimmste Zeit für sie.
Erkenntnisse über Erkenntnisse
Heute weiss Sandra, dass sie hochsensibel ist. Ebenfalls ist ihr heute klar, dass ihr Übergewicht nicht vom Essen kam, sondern dass sie wegen genetischer Voraussetzungen zunahm.
Das erklärt auch, warum beispielsweise ihr Bruder nie Gewichtsprobleme hatte, ihre Mutter hingegen schon. Und Sandra weiss heute: «Es ist wichtig, sein Wohlfühlgewicht zu finden und sich nicht nur nach Zahlen auf einer Waage zu richten.»
Die Flucht aus dem Wallis – ihre Erlösung
Doch bis die 42-Jährige zu all diesen Erkenntnissen kommt, liegt ein steiniger Weg vor ihr: Mehr Mobbing, eine Ehe, in der sie sich nicht wohlfühlt, und eine Heimat, in der sie für ihre Entscheidung, ihren Mann zu verlassen, verurteilt wird. Nach der Scheidung entscheidet sich Sandra deshalb, das Wallis zu verlassen.
Zu gehen war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.
In Bern wagt die damals junge Frau den Neuanfang: Neue Menschen, ein neuer Ort, ein ganz neues Umfeld. «Ich konnte endlich aus dem Korsett von Angst ausbrechen», sagt sie selbst dazu.
Klar, bis heute fühlt sich Sandra nicht jeden Tag gut oder schön, aber sie kann ihren Körper akzeptieren, wie er ist. Zudem verarbeitet Sandra ihre Gedanken in einem Online-Blog . Uns fällt es leicht ihre «Hearty Heroes» ins Herz zu schliessen.