Als Saskia 14 Jahre alt ist, beginnt ihr Daumen während einer Schulstunde zu schmerzen. So fest, dass sie nicht mehr weiterschreiben kann. Zuhause salbt sie den Finger ein und denkt sich weiter nichts dabei. Als die Schmerzen nach zwei Wochen aber nicht besser, sondern nur noch schlimmer werden und auch das Handgelenk zu schmerzen beginnt, geht sie mit ihrer Mutter zum Arzt. Dieser vermutet eine Sehnenscheidenentzündung und gipst die Hand ein. Ihr Zustand verschlechtert sich daraufhin und ihr Arzt schickt sie zu einem Handchirurgen.
Der Arzt sagte, ich simuliere und wolle doch nur das Turnen schwänzen.
Doch auch dieser kann ihr nicht helfen und gab ihr das Gefühl, dass sie doch nur auf der Suche nach einer Ausrede fürs Turnen sei. Eine an den Haaren herbeigezogene Behauptung; denn Saskia treibt zu dieser Zeit viel Sport, liebt es Fussball zu spielen und geht ins Kunstturnen.
Erst neun Monate nach den ersten Schmerzen wird Saskia an eine Rheumatologin verwiesen, die ihr endlich eine Diagnose stellen kann: CRPS (Complex Regional Pain Syndrome).
Wenn Schmerzen wie das Atmen zum Leben gehören
Wenn CRPS innerhalb der ersten drei Monaten diagnostiziert und die Therapie gleich begonnen wird, sind die Chancen gross, dass sich die Schmerzen nicht weiter ausbreiten. Da bei Saskia keine Frühdiagnose gestellt wurde, konnte sich die Krankheit bei ihr in den letzten 13 Jahren weiter ausbreiten. Mittlerweile sind ihr rechter Arm und ihre beiden Beine davon betroffen.
Es fühlt sich an als würde man seinen Arm oder sein Bein ins Feuer halten.
Saskia empfindet solch starke Schmerzen, dass man sich das als «gesunder» Mensch kaum vorstellen kann. Es ist kribbelnd, stechend, brennend und zusammendrückend auf einmal – und zwar 24 Stunden am Tag. «Es fühlt sich an, als würde man seinen Arm oder sein Bein ins Feuer halten», sagt sie.
Die Symptome in ihren Beinen sind mittlerweile so stark, dass Saskia nicht mehr laufen kann. «Ich habe dauernd Krämpfe in den Beinen und bin deswegen auf einen Rollstuhl angewiesen», erzählt sie. Es gibt Tage, an denen tut ihr alleine das Tragen von Hosen und Socken weh. Ohne Schmerzmittel könnte sie keinen Tag überstehen.
Ohne Medikamente habe ich unerträgliche Schmerzen.
Zu den Medikamenten hat die 27-Jährige eine zwiespältige Meinung: «Ich möchte ja eigentlich davon nicht abhängig sein, aber ich brauche sie. Wenn ich sie einmal vergesse einzunehmen, habe ich etwa drei Stunden Zeit dies nachzuholen, ansonsten wird es unerträglich für mich.» Gegen die Schmerzen wurden Saskia zudem zwei Neurostimulatoren in den unteren Rücken implantiert. Das sind kleine Geräte, die mit Kabeln mit ihrer Wirbelsäule verbunden sind. Ihre Aufgabe ist es, Strom an die Nerven auszusenden, da diese ständig überreagieren und Schmerzsignale aussenden. «Diese Geräte helfen mir die Schmerzen um etwa 40 Prozent zu reduzieren.»
«Jammern bringt nichts!»
Obwohl Saskia auch schon mit Suizidgedanken zu kämpfen hatte, möchte sie sich von ihrer Krankheit nicht unterkriegen lassen. Zu schön sei das Leben, sagt sie. Heute versucht sie jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt und lebt viel bewusster. Ein Leben ohne Schmerzen könne sie sich gar nicht mehr vorstellen. Sie arbeitet als Primarlehrerin – und das, obwohl ihr viele nicht zugetraut hätten, dass sie überhaupt die Matur abschliessen kann.
Jammern bringt nichts! Man muss sein Leben leben. Die Schmerzen dürfen nicht über dein Leben entscheiden.
Auch lässt sich Saskia nicht von ihren Hobbys abbringen. So geht sie im Winter zum Beispiel Monobob fahren und nimmt dabei sogar gerne in Kauf, danach wieder stärkere Schmerzen zu haben. «Ich kann ja nicht nur jammern, die Schmerzen sind ja sowieso da. Man muss sein Leben leben», sagt sie. Zudem hilft sie mit ihren Erfahrungen anderen Betroffenen und sagt abschliessend: «Mein Leben ist lebenswert!»