Yvonnes Geschichte beginnt harmlos: in den Strandferien in Frankreich. Beim Beachballspielen spürt sie plötzlich einen Schlag im Rücken und hat von da an Rückenschmerzen. Ununterbrochen, «aber noch nicht so stark wie heute», meint sie.
Es folgen Arztbesuche und Untersuchungen. Weil die Ärzte die Ursache nicht finden, raten sie Yvonne zu Physiotherapie – und zu psychologischer Betreuung: «Meine Schmerzen wurden als psychosomatisch abgetan», so Yvonne. «Ich fühlte mich nicht ernst genommen.»
Auf einer Skala von eins bis zehn waren meine Schmerzen durchschnittlich bei einer Sieben.
Jobverlust und erfolglose Operationen
Yvonne arbeitet in einer kleinen Apotheke. Sie macht alles, um trotz der Schmerzen weiterarbeiten zu können, steht jeden Morgen unter Schmerzen auf und macht sich teilweise mit Krücken auf den Weg zur Arbeit. Es hilft alles nichts: Die Schmerzen sind so stark, dass sie doch immer wieder zuhause bleiben muss. In ihrem kleinen Team geht das nicht – Yvonne verliert ihren Job.
Sie möchte die Schmerzen operativ in den Griff bekommen. Die Ärzte schlagen ihr nämlich eine Bandscheibenprothese vor und sprechen von einer Erfolgsaussicht von 80 Prozent.
Chronischer Schmerz brennt sich ins Hirn wie eine Autobahn. Er meldet sich weiter, auch wenn das akute Problem besser wird.
Und tatsächlich werden die Schmerzen durch die Operation gelindert. Vorerst. Yvonne geht wieder arbeiten und mit der Belastung kehren auch die Schmerzen wieder zurück. «Ich hatte gerade meinen Traumjob im Spital gefunden», erzählt sie.
Um den zu behalten, probiert sie abermals alles, ruht sich bei der Arbeit immer wieder auf den Spitalbetten aus – aber auch das hilft ihr nicht. Die Schmerzen sind zu stark, sie muss den Job aufgeben. Ein extremer Rückschlag.
Yvonne lebt eine Zeit lang von Krankentaggeld. Als dieses aufgebraucht ist, folgt der Gang zum Sozialamt. Bei der Invalidenversicherung wird sie als arbeitsfähig eingestuft. Yvonne hat nun neben den Schmerzen permanent mit Geldsorgen zu kämpfen.
Ich habe nur noch auf die Uhr geschaut, wann ich die nächste Tablette nehmen darf – für zehn Minuten Flash.
Sie unterzieht sich einer zweiten Operation zur Stabilisation der Bandscheibe. Auch diese bringt keine langfristige Besserung und muss durch eine dritte Operation wieder rückgängig gemacht werden. Als einzige Linderung bleiben Schmerzmittel, genauer gesagt Opioide. Yvonne wird eine Pumpe eingesetzt, die das Schmerzmittel direkt ins Rückenmark spritzt.
Verhängnisvolles Fentanyl
Aber nicht einmal das genügt langfristig. Ein Arzt verschreibt ihr zusätzlich Fentanyltabletten. Deren Wirkung tritt jeweils so schnell ein, dass Yvonne eine schwerwiegende psychische und physische Abhängigkeit entwickelt. «Da war so eine Gleichgültigkeit. Trügerisch natürlich, aber im Moment sehr schön», erzählt sie.
Nach dem Entzug fühlte ich mich, als wäre ich aus einem bösen Traum erwacht.
Sie muss das Medikament über drei Wochen lang absetzen – mithilfe des starken Betäubungsmittels Ketamin. «Danach war ich psychisch und physisch in einem miserablen Zustand», erzählt Yvonne. Immerhin wird ihr endlich eine volle IV-Rente zugestanden. Sie kämpft sich zurück ins Leben.
Leben nach dem Entzug
Eine grosse Stütze ist ihr Umfeld, zum Beispiel ihre Freundinnen, die Besorgungen für sie machen. Die Spitex hilft ihr beim Putzen. Auch Psychotherapie ist für Yvonne wichtig und besonders hebt sie die Dienste eines Coachs hervor: Eine Psychiatriepflegeperson, die sie immer wieder besucht, sie etwa zu Arztterminen begleitet und ihr hilft, ihr Leben zu strukturieren.
Yvonne macht so wieder Schritte in Richtung Lebensqualität. Sie ist von Thun nach Interlaken ins Grüne gezogen – die Ruhe und Natur hilft ihr extrem, wie sie sagt. Sie hat eine junge Katze und verkauft kleine Handarbeiten, die sie teilweise im Liegen anfertigt. Auf starke Schmerzmittel ist sie zwar immer noch angewiesen. «Ich fange aber an, das Leben wieder zu entdecken», meint sie.