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Rehmann Phil (41): «MS machte mich innert Tagen zum Pflegefall»

Eines Morgens erleidet Phil einen Schwächeanfall. Tage später ist er vom Bauchnabel abwärts gelähmt. Die Diagnose lautet Multiple Sklerose: eine unheilbare Krankheit des Zentralnervensystems.

Für Phil ist es ein ganz normaler Morgen. Er steht auf und macht sich einen Kaffee. Dann geben plötzlich seine Beine nach, er sackt auf den Küchenboden. Phil denkt sich nicht viel dabei und steht wieder auf: «Zurück in den normalen Modus.»

Auf der Busfahrt zur Arbeit merkt er jedoch, dass wirklich etwas nicht stimmt. Er kann das Körpergefühl nur schwer beschreiben: «Ich fühlte mich einfach extrem schwach.» Er ruft seinen Hausarzt an, welcher ihn ans Luzerner Kantonsspital überweist. Phil schleppt sich mit Mühe und Not den Hügel zur Notfallstation hoch und ahnt noch nicht, dass er einen ganzen Monat im Spital verbringen wird.

Der Arzt meinte: ‹Wir wissen nicht, was es ist, aber es sieht nicht gut aus›.

Innert Tagen zum Pflegefall

Alle möglichen Tests werden gemacht, die Ärzte wollen sich lange nicht festlegen. Irgendwann wird eine Entzündung im Rückenmark identifiziert. Dann die Diagnose: Multiple Sklerose, eine unheilbare neurologische Erkrankung. In Phils Fall sind es Nerven im Rückenmark, die betroffen sind und ihre Steuerungsfunktion nicht mehr ausführen können. Tage später ist er vom Bauchnabel abwärts gelähmt.

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Phil ist von den Ereignissen komplett überfordert: «Ich war gar nicht mehr aufnahmefähig. Es prasselt einfach auf dich ein.» Und das Kortison, mit dem seine Entzündung behandelt wird, wühlt ihn zusätzlich auf. Phils Partnerin und der gemeinsame Sohn müssen miterleben, wie er innert Tagen zum Pflegefall wird.

Du verlierst so viel. Das zieht dich extrem runter.

Er braucht Hilfe beim Anziehen, beim Duschen und dem Gang auf die Toilette. Darum wird er vorerst im Paraplegikerzentrum Nottwil untergebracht – es ist alles auf Rollstuhlfahrer ausgerichtet. Die Zeit dort ist ein extremes Auf und Ab, «eine Grenzerfahrung», wie Phil sagt. Auf mühsam erkämpfte Fortschritte folgen wieder herbe Rückschläge.

Die Umstellung auf ein Leben im Rollstuhl ist ein riesiger Aufwand. Das mehrstöckige Reihenhaus, in dem die Familie bisher gelebt hat, ist nicht rollstuhltauglich: Die drei ziehen in eine neue Wohnung.

Der Kampf zurück ins Leben

Phil geht offensiv mit seiner Situation um und kämpft sich Schritt für Schritt ins Leben zurück, auch dank der Unterstützung seiner Partnerin. Er kommuniziert in seinem Umfeld offen, dass er jetzt im Rollstuhl sitzt.

Das Leben gewinnt eine gewisse Tiefe.

Phil ist Rapper. Nach zwei Jahren Pause von der Musik sitzt er am Royal Arena Festival auf der Bühne und rappt wieder. Solche Dinge seien wichtig, sagt er. Auf diese Art zeige man sich selbst: «Das lasse ich mir nicht nehmen!»

Phil sieht heute neben all dem Schmerz auch, wie ihn seine Krankheit weitergebracht hat. «Das Leben und meine Beziehungen haben an Tiefe gewonnen», meint er. Phil ist der Meinung, dass Freund- und Partnerschaften in solchen Krisensituationen entweder zerbrechen oder stärker werden. Und ist überzeugt: «Bei mir ist letzteres passiert.»

«Am Anfang siehst du nur die Dinge, die dir genommen werden. Aber irgendwann wird die Liste all der Dinge, die dir bleiben, wieder länger», erzählt Phil. Vor kurzem ist er mit seiner Familie in die Ferien gefahren und konnte sogar eine Velotour machen. «Geil!», findet er.

Seine Erfahrungen verarbeitet Phil zudem im Song «Vo gheie und flüüge»:

S.O.S. – Sick of Silence

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Wie sieht das Leben junger Menschen aus, nachdem es durch eine chronische Krankheit ausgebremst wurde? Robin Rehmann leidet selbst an einer chronischen Krankheit und unterhält sich in seiner Sendung mit Betroffenen.

Jeden Dienstag, 18-19 Uhr bei SRF Virus oder hier als Podcast.

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