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Rehmann Samuel (36): «Eine Hirnblutung hat mich aus dem Leben gerissen»

Als Samuel im Jahr 2009 eine Stammhirnblutung erleidet, wird für ihn plötzlich alles anders. Alltagssituationen wie einkaufen lassen sich heute nur noch mit Mühe bewältigen, vieles musste er neu erlernen. Trotzdem wünscht sich Samuel sein altes Leben nicht zurück.

Auf dem Nachhauseweg trifft es Samuel auf einmal wie ein Schlag. Plötzlich verzieht sich Samuels Blickfeld. «Das Tram vor mir war plötzlich viel zu breit und alles war verzogen», erinnert er sich. Zuerst dachte er an Fieber, später wird ihm der Ernst der Lage klar.

Zuerst war ich zuversichtlich, danach ging aber alles bergab.

Zufälligerweise besucht Samuels Freundin am selben Abend eine Kollegin, die als Krankenschwester arbeitet und erzählt ihr von Samuels Leiden. Diese fordert sie auf, unverzüglich mit Samuel ins Krankenhaus zu gehen. Samuel wird mitten in der Nacht ins nächste Spital gefahren und sofort einem MRI unterzogen. «Zuerst war ich noch zuversichtlich, aber es ging danach sehr schnell bergab», summiert Samuel. Schnell wird Samuel in ein anderes Spital verlegt welches über modernere Geräte verfügt.

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Anfangs vermutet man einen Hirntumor, den Ausbruch einer multiplen Sklerose oder Drogenkonsum. «Ich hätte in diesem Moment gerne Drogen genommen, denn dann wüsste ich, dass es bald vorbei sein würde», scherzt Samuel heute. Nach zwei Wochen diagnostiziert man Samuel schliesslich eine Stammhirnblutung, die sich vor allem auf seine Augen auswirkt. «Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nur noch 25 Meter mit dem Rollator gehen und erkannte kaum meine Eltern», erinnert sich Samuel. Es folgt einen Monat in der Rehabilitation bevor Samuel im Leben einigermassen Fuss fassen kann.

Die Krankheit ist dein Gegenspieler, dein Mitspieler, sie steht an erster Stelle.

Aus dem Leben gerissen

Doch der Wiedereinstieg gestaltet sich alles andere als einfach. «Vieles musste ich neu lernen, ich musste eingearbeitet werden», sagt Samuel. Er musste sich regelrecht ins Leben zurückkämpfen. Alltagssituationen werden für Samuel zur Herkulesaufgabe: «Ich hatte Angst, bei Grün über die Strasse zu gehen, ich fürchtete mich vor Autos und herannahenden Menschen, aus Angst, etwas zu übersehen.»

Wegen der Stammhirnblutung hat sich sein Alltag verändert. Während Samuel vorher komplett befreit seinem Alltag nachgehen konnte, muss er sich heute für vieles Zeit nehmen. «Vorher ging ich mit dem Auto einkaufen, bin weit herumgekommen und spielte in einer Band. Heute frage ich mich, wie ich das alles nur geschafft habe.»

Manchmal ist das Einkaufen ein Riesenstress.

Samuel muss viel Energie aufwenden, um vermeintlich einfache Dinge zu erledigen. Konzentrieren kann er sich lediglich 3 Stunden und er braucht sehr viele Ruhephasen. «Manchmal ist das Einkaufen ein riesiger Stress für mich und ich muss mich anstrengen, damit ich mich im Laden zurechtfinde», sagt Samuel. «Ich beobachte manchmal Menschen und merke, dass sie ein komplett anderes Tempo haben. Ich muss mich mit meinem eigenen Tempo zurechtfinden.» Zeitmanagement ist heute für Samuel von hoher Bedeutung. Wenn ein wichtiger Termin ansteht, wie das Gespräch bei Robin, muss Samuel Ruhezeiten einplanen, damit er fit ist.

Ein Schicksalsschlag mit positiven Folgen

Der enorme Lebenswandel wirkt sich auch auf sein privates Umfeld aus. Vor der Stammhirnblutung will Samuel mit seiner Freundin zusammenziehen. «Wir merkten, dass mein Zustand unsere Beziehung zu fest belastet und wir haben uns im Guten getrennt», äussert sich Samuel.

Ich möchte nicht mehr der alte Samuel sein.

Selbst wenn Samuel sein Leben komplett neu aufbauen muss, hat die Stammhirnblutung auch positive Seiten für ihn. «Früher war ich viel unsicherer im Leben. Die Erkrankung hat mein Denken verändert und ich bin ein viel positiverer Mensch geworden. Vielleicht musste es mir passieren», stellt Samuel fest. Zudem hat er seine Gefühle musikalisch verarbeitet. Mit Hilfe seines Bruders hat Samuel ein Album aufgenommen, in dem er trotz seinem Handicap versucht, wieder zu sich zurückzufinden. Über Heilungschancen denkt er heute nicht nach. «Ich möchte gar nicht mehr der alte Samuel sein, denn ich bin zufrieden mit dem Weg, den ich gegangen bin», sagt Samuel.

S.O.S. – Sick of Silence

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Wie sieht das Leben junger Menschen aus, nachdem es durch eine chronische Krankheit ausgebremst wurde? Robin Rehmann leidet selbst an einer chronischen Krankheit und unterhält sich in seiner Sendung mit Betroffenen.

Jeden Dienstag, 18-19 Uhr bei SRF Virus oder hier als Podcast.

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