Wer sich für Drag Queens interessiert, sollte die Figur RuPaul schon lange kennen: In den 90er-Jahren galt der gebürtige Amerikaner als berühmtester Travestiekünstler der Welt und machte sich als Sänger, TV-Host und Schauspieler einen Namen. Seit der Verleihung der diesjährigen Emmys dürfte der Name seiner Reality-Show aber genauso bekannt sein wie sein eigener: «RuPaul's Drag Race» war der Abräumer des Abends und schaffte es als erste Produktion überhaupt, im selben Jahr für den Host und die Sendung selbst ausgezeichnet zu werden. Aber warum liegt eine Show mit verkleideten Männern derart im Trend und wie lässt sich der Hype erklären?
Auf High Heels in die Schlacht
Das Grundkonzept von «RuPaul's Drag Race» ist schnell erklärt: 12 bis 14 Kandidaten treten im knallpinken «Werk Room» gegeneinander an und versuchen, sich den Titel als «Amerikas nächsten Drag-Superstar» zu schnappen.
Einfach ist der Weg zum Sieg dabei überhaupt nicht, denn im Vergleich zu anderen TV-Formaten wird viel von den Teilnehmern abverlangt: In den Mini- und Hauptchallenges, die jede Episode gemeistert werden müssen, wird getanzt, dann geschneidert und im nächsten Moment geschauspielert. Mit billigem Verkleiden und ein bisschen Lippenstift hat das Ganze dabei nicht viel zu tun, denn hier geht es wirklich um Talent, wie Host RuPaul in einem Interview erklärt: «Wir suchen nach Charisma, Einzigartigkeit, Mut und Talent. Es sind Menschen, denen Unglück widerfahren ist und die diese Erfahrung in etwas Schönes und Machtvolles verwandeln.»
Natürlich überrascht es nicht, dass es bei diesem Stress öfters zu kleinen Reibereien oder grösseren Zickenkriegen kommt (sehenswert ist vor allem dieser hier ). Aber das ist nicht das Einzige, was die Sendung ausmacht: Genauso spannend ist es, vollends in die LGBT-Szene einzutauchen und zu sehen, was hinter den roten Lippen und hohen Absätzen steckt.
So bespricht eine Gruppe den Schönheitswahn in der Schwulenszene, ein anderer Kandidat berichtet von transphoben Erfahrungen am Zoll in Russland und ein dritter gesteht unter Tränen, dass er vor einem Jahr positiv auf HIV getestet wurde. So ist das Publikum hautnah bei dieser Achterbahn der Gefühle dabei und erlebt, wie sich einzelne Figuren im Verlauf der Sendung entwickeln. Am spannendsten ist es aber sicher, wenn sich die Queens in ihre schillernden Outfits schmeissen und um die Wette performen.
Vom Szenenhit zum Mainstream-Erfolg
Wer nun denkt, dass RuPaul mit seiner Serie über Nacht einen Kassenschlager gelandet hat, täuscht sich gewaltig: Obwohl «RuPaul's Drag Race» bereits im Jahr 2009 zum ersten Mal über die Bildschirme flackterte, dauerte es ganze zehn Staffeln, bis das Format von der breiten Masse wahrgenommen wurde. Was als «gay thing» begonnen hat, hat sich zum Mainstream-Erfolg des Jahres gemausert und erhält auch Unterstützung von prominenten Fans. Egal ob Lady Gaga, Ariana Grande oder Neil Patrick Harris - alle sind begeistert von der kunterbunten Show und treten darum auch als Gastjuroren auf.
Für die einzelnen Drag Queens bedeutet einen Platz in der Show nicht nur grosse Aufmerksamkeit, sondern auch Auftrittsanfragen und Jobangebote ohne Ende. Grosse Modehäuser wie Marc Jacobs oder H&M haben schon mit Kandidaten zusammengearbeitet, der Kosmetikkonzern LUSH wählte für die diesjährige Weihnachtskampagne drei Travestiekünstler als Aushängeschild und Lady Gaga castete für ihren Streifen«A Star Is Born» sogar Publikumsliebling Shangela Laquifa.
Doch am wichtigsten ist der gesellschaftliche Beitrag des Formats - denn wie RuPaul bei seiner Dankesrede an den Emmys 2018 oder auch am Ende jeder Sendung sagt: «If you can't love yourself, how in the hell can you love somebody else?!»
Unsere liebsten 15 RPDR-Queens:
Die Staffeln 6 bis 10 von «RuPaul's Drag Race»sind auf Netflix verfügbar. Staffel 11 soll zu Beginn des nächsten Jahres starten.