1. Was stand vor der Veröffentlichung dieses Albums für die Band auf dem Spiel?
Es gibt Leute, die finden restlos ALLES gut, was Radiohead veröffentlichen. Und das ist auch völlig okay so! Schliesslich war die britische Band rund um Sänger Thom Yorke während mindestens 12 Jahren (von 1995 bis 2007) so ziemlich das Nonplusultra, was zukunftsorientierte, experimentelle und trotzdem ultrapopuläre Gitarrenmusik angeht.
Auf ihrem letzten Album, dem 2011 erschienenen «The King of Limbs», ist der Band aber irgendwie der Pioniergeist abhandengekommen. Ein paar tolle Songs («Separator», «Morning Mr Magpie», «Lotus Flower»), ja, im Grossen und Ganzen wirkten Radiohead auf diesem Album aber zum ersten Mal seit Langem wieder wie eine «stinknormale» Band.
Für das neue Album gilt also: Möchten Radiohead den Titel für die «beste Band der Welt» zurück, muss ein richtig grosses Werk her.
2. Okay, genug Blabla. Sag jetzt: Wie klingt das Album?
Moooment gschnäll! Ganz wichtig: Radiohead-Songs und -Alben sind keine Schnellschüsse. Wer denkt, dass sich die Band einige Monate vor Veröffentlichung eines neuen Albums in ein Kämmerchen einschliesst und dort ein paar neue Songs aus dem Boden stampft, liegt falsch.
Das erklärt, warum Radiohead-Alben selten aktuellen Musiktrends folgen. Radiohead werden nicht plötzlich ein Album mit Dubstep- oder Trap-Einflüssen raushauen. Sie folgen keinen Trends – sie setzen sie. Auch nach über 25 Jahren Bandbestehen.
Für ihr neues Album hat sich die Band mal wieder an ihrem grossen Arsenal von noch unveröffentlichten Songideen bedient, die zum Teil schon jahrzehntelang umherschwirren. Der Song «Present Tense» zum Beispiel, feierte bereits 2009 Live-Premiere . Auf eine Studioversion des finalen Songs des Albums, «True Love Waits», mussten Fans sogar über 20 (!) Jahre lang warten – Radiohead spielen den Song live seit 1995. (Spoiler Alert: Das Warten auf eine fertige Version hat sich gelohnt.)
3. Dude. Nochmals. WIE KLINGT DAS NEUE ALBUM?
Der erste Gedanke: Radiohead beschwören den Weltuntergang herauf. Das fängt schon beim Albumtitel an: « A Moon Shaped Pool».
Seit Jahren zeichnet sich die Band durch ihren Aktivismus gegen «Global Warming» aus. Was passiert, wenn die Temperaturen auf der Erde immer weiter ansteigen und dadurch sämtliche Polkappen und Gletscher schmelzen? Richtig: der Meeresspiegel steigt und steigt – und wir erhalten einen Planeten, der aussieht wie ein riesengrosser Swimmingpool in der Form eines Mondes.
Denselben Eindruck vermittelt auch die Musik des Albums. Die 11 Songs auf « A Moon Shaped Pool» werden von jeder Menge Unbehagen und einem ständigen Gefühl der Angst begleitet. Momente der Hoffnung gibt es auf diesem Album nur wenige.
Einen nicht zu unterschätzenden Anteil daran dürfte Jonny Greenwood, der Sound-Tüftler der Band, haben. Scheint ganz so, als ob er seine Soundtrack-Arbeiten der letzten Jahre («There Will Be Blood», «The Master») nun auch in die Musik seiner Band einfliessen lässt. Die Streicher, die an verschiedenen Stellen auf dem Album auftauchen (« Burn the Witch », «Daydreaming», «The Numbers»), klingen nicht nur verdammt triumphal, sie machen den Weltuntergangs-Soundtrack von Radiohead noch atmosphärischer und dramatischer.
4. Ja und, äh, wie ist das Album jetzt? Gut? Schlecht?
Ein Radiohead-Album wenige Stunden nach Veröffentlichung abschliessend zu beurteilen, ist nonsens.
Was wir schon jetzt sagen können: Das überwältigende «The Numbers», und das schnurstracks-Richtung-Abgrund-zeigende «Ful Stop» halten bereits jetzt Einzug in die Playlist der besten Radiohead-Songs ever. Auch die erste Single, «Burn the Witch», und «True Love Waits» gehören zu den Highlights der Scheibe. Das ist ja schon mal etwas.