Ob es die Jagd tatsächlich braucht? Gina ist sich unschlüssig. Zwar sei die wichtigste Aufgabe des Jägers, den Wildbestand zu regulieren. «Vielleicht würde der sich auch von selbst regulieren», meint sie. Aber erstens hat ein*e Jäger*in noch viele andere Aufgaben und zweitens wäre es für Gina ganz persönlich ein Verlust, ihre grosse Leidenschaft aufzugeben.
«Vieles, was Jäger*innen tun, sieht man nicht», erzählt Gina. Zum Beispiel das Zählen des Wildbestandes, das Aufspüren von kranken Tieren oder das Schaffen von Freiflächen, damit die Wildtiere fressen können. Oder die Rettung von Rehkitz, die sonst nicht überleben würden.
Klar habe ich Freude, wenn ich etwas schiessen kann. Aber das ist nicht der Hauptgrund für die Leidenschaft.
Und das, was man kennt – das Erlegen eines Tieres, das komme gar nicht so oft vor, wie man denkt, meint die junge Jägerin. «Eigentlich ist es selten, dass es so haargenau stimmt und ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin, um etwas zu schiessen. Umso mehr Freude habe ich dann natürlich. Aber trotzdem ist das nicht der primäre Grund, warum die Jagd so schön ist.»
Die Kameradschaft in der Jagdgruppe, das Verweilen im Wald von früh bis spät seien die schönen Aspekte des Jäger*innenseins, meint Gina. Die Jagd sei kein normales Hobby: «Es nimmt schon sehr viel Zeit ein. Jäger*in ist man das ganze Jahr.» Das Jagdfieber wurde ihr von ihrem Vater Hansruedi weitergegeben. Der nahm sie als Kind schon mit auf die Jagd und fasst simpel zusammen: «Entweder man ist ein leidenschaftlicher Jäger oder man ist kein Jäger.»
Ich habe ein Tier nur angeschossen und konnte es dann nicht aufspüren. Da schläft man dann schon nicht mehr gut.
Und ja, man befasse sich oft mit dem Tod, meint Gina. «Im Moment eines Abschusses fühle ich mich aber nicht mächtig. Es ist eher eine Ehrfurcht.» Ein schneller Tod des Tiers ist ihr wichtig. Dafür muss man beim ersten Schuss richtig treffen. Das gelingt nicht immer.
Einmal habe sie ein Reh nur angeschossen. «Fehlschüsse passieren, wir sind auch nur Menschen.» Sie habe probiert, das angeschossene Tier aufzuspüren. Sie und auch ihr ausgebildeter Jagdhund fanden es aber nicht. «Da schläfst du dann schon nicht gut in dieser Nacht. Manchmal auch Wochen später noch nicht.»
Mein Ziel ist es, dem Tier einen möglichst schnellen Tod zu geben.
Grundsätzlich verteidigt sie aber die Ethik der Jagd. «Tiere haben gewisse Rechte. Aber sie sind einfach keine Menschen! Diese Vermenschlichung, die viele machen, nervt mich.» Gina fügt an: «Am schlimmsten sind die, die Fleisch essen, aber gegen die Jagd sind. Das ist der komplette Widerspruch.»
Gina bei «True Talk»
Dass Jäger*innen nicht immer einen Bierbauch, Schnauz und komische Hüte haben, zeigt sich am Exempel von Gina als lebender Gegenbeweis. Aber was sagt sie dazu, dass Menschen sie als Tiermörderin sehen? Haben Jäger*innen denn gar kein Mitleid, wenn ein Tier im Sterben liegt? Zudem: Wie ist es als Frau in dieser Männerdomäne? All das und noch viel mehr erzählt sie bei True Talk: