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Bestatter*innen: Alles morbide Einzelgänger?
Aus True Talk vom 25.02.2021.
abspielen. Laufzeit 28 Minuten 6 Sekunden.
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True Life «Ich habe mich schon als Kind für Friedhöfe interessiert»

Michael ist Bestatter – und bestimmt ganz anders als du ihn dir vorstellst. Deshalb begleiten wir den 37-Jährigen in unserem Webformat «True Life», um einen Einblick in seinen Job und das Verständnis für die Faszination daran zu kriegen.

Wer Bestatter wird, ist ein Freak, der alles Tote toll findet, denkst du? Falsch gedacht – Michael ist dafür der beste Beweis. Der 37-Jährige hat nämlich erst im Erwachsenenalter angefangen, sich für den Bestatterberuf zu begeistern – jedenfalls wissentlich: «Meine Eltern haben mir erzählt, dass ich mich schon als Kind für Friedhöfe interessiert habe und bei Urnenbeisetzungen dabei sein wollte.»

Richtig gepackt hat's Michael mit Mitte 20. Damals bot ihm ein Stammkunde an seinem alten Arbeitsort einen Nebenjob als Bestatter in seinem Institut an. Zwei Jahre lang hat Michael dann genau das gemacht – neben seinem 100-Prozent-Job: «Während dieser Zeit merkte ich: Das will ich Vollzeit tun.» Das war vor elfeinhalb Jahren, mit 26. Heute arbeitet der 37-Jährige bei der Stadt Zürich, die täglich zwischen zehn und 15 Todesfälle bearbeitet.

Jeder Einwohner der Stadt Zürich wird abgeholt und hergerichtet. Das sind fünf bis sieben Todesfälle pro Tag und pro Team.

Der Job als tägliche Herausforderung

Doch die Leidenschaft für seinen Beruf hat Michael bis heute nicht, weil er den Tod besonders interessant findet: «Die Faszination für mich ist, dass man jedes Mal in eine neue Situation kommt, auf die man sich nicht vorbereiten kann.» Das sei für ihn eine grosse, aber spannende Herausforderung.

Die Faszination für mich ist, dass man jedes Mal in eine neue Situation kommt, auf die man sich nicht vorbereiten kann.

Deshalb stört es Michael auch nicht, mit Verstorbenen im Aufbahrungsraum zu sein: «Es ist für mich als würde die Person schlafen», sagt er dazu. Dieser Raum sei zudem etwas Wichtiges für die Angehörigen, da sie dort ihre verstorbenen Familienmitglieder besuchen und um sie trauern können. Für Michael sind diese traurigen Momente zwar nichts Schönes, er selbst wird dabei aber nicht traurig: «Ich kenne nicht jede Geschichte, deshalb muss ich mich auf meine Arbeit konzentrieren.»

Zu dieser Arbeit gehört unter anderem auch, die Verstorbenen herzurichten. Das heisst: einkleiden, frisieren, waschen und was zu Lebzeiten sonst zur Körperpflege des/der Verstorbenen gehörte. Bei aufwändigeren Fällen, zum Beispiel nach einem Suizid oder einem Unfall, deckt Michael zudem Wunden ab und säubert den Körper.

«True Life»

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Menschen und ihre Geschichten: Das steht im Fokus von «True Life». Egal ob Tänzerin, Autist oder Jägerin – sie alle gewähren dir einen Einblick in ihren Alltag und in ihr Leben.

Wenn die Arbeit ins Privatleben überschwappt

Im Allgemeinen sieht der 37-Jährige den Tod in der Gesellschaft bis heute als Tabuthema: «Wenn es in Serien darum geht, wird darüber gesprochen. Ist jemand persönlich betroffen, wird das Thema sehr diskret behandelt.» Auch er selbst beschäftigt sich privat nicht wirklich mit dem Sterben – ausser wenn ihn Leute etwas darüber fragen.

Das Thema Tod ist noch immer ein Tabuthema.

Und doch kann es vorkommen, dass sich seine Arbeit und sein Privatleben kreuzen, denn der Bestatter musste schon eine an Suizid verstorbene Kollegin abholen. «Das war ein ziemlich prägendes Erlebnis. Ich holte sie ab ohne zu wissen, dass ich sie kennen werde.» Trotzdem: Sich vor dem Tod fürchten will sich Michael nicht: «Ich habe auch keine Angst vor dem Tod», sagt Michael, gibt aber zu «Wenn ich mal darüber nachdenke, habe ich aber schon Respekt davor; schliesslich habe ich ein so schönes Leben.»

Michael bei «True Talk»

Was macht eigentlich ein Bestatter den lieben langen Tag? Und wie realitätsgetreu sind Serien wie «Der Bestatter»? Diese und viele andere Fragen beantwortet Michael bei «True Talk»:

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